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Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Ostpreußische Zeitung — 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.17452#0004

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38. Aahrgaug.

Diese Zritung ^rjchcini
läglich, rnit Ausnahme
der Tcige nach den
Sonn-und ^eicrta/'cn.

Das Aboimement

auf dicsclbe beträgt
vicrtcljährlich für
Königsberg 3 Mart
75 M. (incl. Botcn-
-'ohn 4 Mark 25 Pf.).
bci allcn Kaiscrlichcn
Postanstalten 4 Mart
50 Pf. incl. Postzu-
fchlag.

Mrrrwssr W
Ofchreußische Zerrirag
tverden von der Ex-
pedition, Altstädiischc
Langgasse A! 29, cm-
gcgcngenowmek und
M rs Ps. sür dm
Raum eiüer PeKzeile
berechuct.

Das Be!ag-Exe»H!ar
kostet L5 Ps.

KSnigsverg i« Pr., Dienstag dcu 3. Angnst 1886.

Ofsizielles

Amtliches.

«erli», Sl. Juli. Se. MafestSt der König babrn
^ÜergnSdigst gcrubt: Drm derreitigen Reltor der Univerfltäl
Dalle ,nd ordentliiben Profestor in der philasophischen Fa»
kuität dastlbst. vr. Conrad, den Rolhen Adlerorden vierter
Kloffe r» verleihen.

Zu LandgerichtS. Direktoren stnd ernannt: der Land»
geriLtSrath Jlberg in Torgau bei dem Landgericht in
Magdeburg, und der LandgerichtSrath Braun in GreifS-
wald bei dem Landgertcht in Verden.

Zum NmtSrichter ist ernannt: der GerichtS'Affeffor Mey»
dam bei dcm AmtSgrricht in OrtelSburg.

In der Liste der Rt»tSanwSIte ist gelöscht: drr RechtS-
anwalt, Justizrath von Werner bei dem Landgericht in
Graudrnz.

Dem Thirrarzt Aagnß Fittkan zn Bisckosstein ift die
'nterimistische Berwaltung der Krril-Thirrarztstelle de« KreiseS
Röffel. unter Anweisnng srinrS AmtSwohnfitzeS in Bischof«,
burg, übertragen worden.

Hollaud iu Noth.

Vuch Holland hat eine Preß-, BereinS« und Ber»
sammlungSfreiheit, wie man sie sich nicht schöner und
herrlicher wgnschen kann. Jeder HollLnder thut sich
auf die Freiheit, die in seinem Vaterlande herrscht,
etwas zu Gute und kommt sich in diksem Punkte sehr
erhaben über Deutschland vor, w» man nicht so „frei"
leben kinne. Aber auch in H»lland hat diese Freiheit
in wahrhaft erschreckender Wcise dicselben Früchte ge»
zeitigt, wie in Bclgien, England, Nordamerika. Waren
eS dort überall Lohnfragcn, welchc dem AnarchiSmuS
zum Hebel dienten, so hier der Bersuch der Polizei,
da« Volk in Amsterdam in der Freiheit einer Thier-
quälrrei zu verhindern, welche zu einer VolkSsitte ge»
worden. Diese Sitte, da« sogen. Aalziehen, besteht
darin, daß an ein über einem Flußarm gespanntc« Seil
ein dicker, dazu noch mit Seifc bestrichener Aal an dcn
Kiemen festgebundcn wird, den zu erwischen und her-
«nierzuziehen Aufgabe der Jnsassen pfeilschnell unter
dem Seil hindurch fahrendcr Kähne ist. Die Polizei
h«tte letzten Sonntag da« grausame Spiel verbote»,
aber wa« gilt den unteren Klassen dort die Polizei?
Als diesc, um da» Spirl zu hindern, daS Seil durch-
schnitt, rottrte stch der Pöbcl zusammen, immer mchr
wuchsen die VolkSmenge und die Polizcimacht, cin
Massenkampf begann, in welchem »iele Polizisten ent-
waffnet und verwundet wurden — erst der späte Abend
und cin Regen machten dem Skandal ein Ende. Konnte
dcrselbe bi« dahin nur alS ein gewöhnlicher, wenn auch
argex Unfug bezeichnet werden, so nahm er am Tage
darauf cinen revolutionären Charakter an. Bei hellem
Tage sammelten sich gewaltige Mengcn, um den Kamps
fortzusetzcn: manriß daS Straßenpflaster auf, Barrikaden
wurden erbaut, Frauen und Kinder lirfen hcrbei, mit
Steinen zum Bombardement versehen. Etwa 500 Mann
Truppen rückten heran, um die Ordnung wieder her-
zustrllcn: sie wurden aber auS Fenstcrn und von Dächcrn
mit einem Hagel von Steinen empfangen. Jetzt be-
gann der Kampf: auf etner Barrikade wurde eine rothe
Fahne aufgepflanzt, die für die Truppen daS Signal
zum Schicßen ward. Der Kampf rrstreckte stch übcr
Mehrcre Straßen und dauerte etwa sechs Stundcn, biS
die Aufständischen sich zurückzogen. Jm Ganzen wurden
25 Personen getödlet, gegcn 90, darunter 40 Polizei-
bcamte, »erwundet.

AuS der Hartnäckigkcit deS WiderstandeS, auS der
Ausdehnung deS KampfeS, auS dem Barrikadenbau und
den rothen Fahnen gcht zur Genüge hervor, daß die
Sozialdemokratie Oel in daS Feuer goß unv bcstrebt
war, den aus dem Vrrdot deS Aaljiehens entstandcnen
ersten Zusammenstoß zwischen Polizei und Pöbel zu
organifiren und für ihre Zwecke auSzubeuten. Hierzu
war die Menge seit langer Zeit vorbereitct: in den
letzten Monaten war sic tn unzähligen VolkSversamm-
lungen und durch revolutionäre Schriften aufgereizt
worden. Ein HaupträdelSführer, Domela Nieuwcn-
huis, hgt die Massen sch»n seit Wochrn zu re»olutio-
naren Ausschreitungen beardeitlt und in den sozialcn
Zuständen cinen für seine Jdecn fruchtbaren Boden
gefundcn. DaS Elend der untersten VolkSklaffen ist
gerade in den niedcrländischen HandelSstädten groß und

Phranms und Thisbe.

AuS den Erinnerungen cineS alten ArzteS von B- Rcn
(Fortsetzung.)
lV.

So ungefähr standen die Bngelegenheiten, deren eb,
gcschilderte DetmlS i» erst spät.r kennen lcrntr, alS i
cine« TageS. e« war lM März, ein Billet folgenden J>
halteS rmpstng:

Berchrter Herr Doktor!

„Soebcn rrhalte iib die Nachricht von dem Tode meinl
5f,^arztrs. des Doktor Z., der mir fünfzebn Jahre hj>
lieber Freund gewesen. wie e« vor ihm JbrSe
Gestatten Sir mir, die Bitte zn Sntzern. bc
bie ärztliche Sorge für meine Frau nnd mi
üoernevmen wollen. Auch hätte ich zern in einer besondei
mskrelen Angrlegenheit um Jhren Rath gebeten; wolli
Sic die Güte haben. mir cine Zcit zu bestimmen, wann i
S,e besnchen darf?

Jbr ergebeoster
Richard Wilhelm Kruse

, . - , ^ . Ferdioandstraße."

Ja, den alten Kruse und srine guie Frau kannte i
allerding« seit langer Zeit; ich halt« fie schon m meine
Eiternhanse begrüßl, fretitch m der Eigrnschaft eineS artigi
Kindes, welchcS fvtgsam die Hand gab und sagte: „Godi
L>ag ok, verr Krnse, Madame Krusc» ick din good bi weg
was to viel sagen wollte aiS: „Beruhigt Euch. ich h,fin
niich rechi wihl!" Wir Kinder dursten wie damals m
vielen Hänsern meiner Vaterstadt, nur plattdeutsch spreche>
ichade, vaß diese Silte »ck »oi» gelegt worden.

dalb steben Uhr »dend-, nach beendetrr Vistte
^ »en aiten Herrn. Er hatte dieS wohi e
^ "uch memen Wagen gehört; genug. -r ka
beide Händ?" """ HauSflur entgegen und reichle m

-L"der Herr Doktor. herzlichen Dank für Jhre Frenn

Ilchkeit. Bilre, hier herein!" Und er zsg mir den Pelz (
uod nölhigte mich, vor vem kamio Pla- zu nebmc
..Womit kann i» .drcnen? Kaffee — oder rin Glas Gr
vom ältrstrn Jamaika?"

bisher ist nichtS zur Linderung der Noth geschehen.
Nieuwenhuis hatte in Folge deffen auf die Maffen
rinen unhrilvollen Einfluß. Erst kürzlich wurde in einer
VolkSversammlung in Amsterdem, wo diesrr Mann über
„Hochverrath und Hochverräther" eine Rede hielt, mittcn
auS dcr Versammlung herauS auf einen überwachenden
Polizisten ein Schuß abgefcuert, der — weil er nicht
traf — unbegreiflicherweise keine welteren Folgen für
die Versammlmig hatte, die im Gegentheil nach Ver-
haftung deS Schützen ruhig fortgesetzt werd'en konnte und
mit der Ueberreichung eineS LorbeerkranziS für den Redncr
durch eine „Bürgerin" cndete.

AuS der revolutionären Saat, die ungestört keimte
und wucherte, ist jetzt die blutige Ernte entsprossen. Die
Sozialdemokraten in Holland haben ihrcn Zielen das
unschuldige Gewand deS StrebenS nach dem „allgemeinen
Wahlrecht" gegeben und sich dadurch gewiffcrmaßen einen
Freibrief für thr Treiben gestchert. Daß dieS aber uur
eine MaSke, nur ein Vorwand ist, hintcr dem sich Re-
volution und AnarchiSmuS verbergcn, konnte schon längst
keinem Zweifel mchr untcrlicgen und ist nach dcn re-
volutionären Ausschreitungen vom Montag als völlig
erwiesen zu crachtcn. BiS dahin, wo die Früchte syste-
matischer Aufwiegelung in dem Ausstand anS Tageslicht
traten, scheinen der Staatsgewalt die Hände gebundcn
gewesen zu sein: erst jetzt sind die Hauptführer der
Sozialistenpartei in Hafl genommen worden. Hoffent-
lich ist daS nicht zu spät, hoffentlich werden die Massen
hierdurch nicht zu neuen AuSschreitungcn ermuntert.
Die Regierung glaubt freilich noch immer, mit den be-
stehenden Gesetzen auSkommen und für die Aufrecht-
erhaltung der Ruhe sorgen zu können. Aber die bis-
herige Entwickelung der Dinge, welche Holland von Neuem
in Noth versetzt haben, spricht kaum dafür, daß die be-
stehenden Einrichtungen genügen, um den Umsturz-
bestrebungen den Boden zu entziehen. Man möge dort
thun, waS man für Recht HLlt. Für unS enthalten die
Vorgänge in Bestätigung der Erfahrungen in Belgien,
England und Amerika die eindringliche Lehre, daß es
hcilsam ist, den Brunnen nicht erst dann zuzudccken,
wenn daS Kind hincingefallen ist. Jm Jnteressc des
Volke« sclbst liegt es, untcr größercr Fürsorge für die
materielle Lage der unteren Klassen, den AuSwüchsen
der Vereins- und VersammlungSfreiheit bei Zeiten ent-
gegen zu treten, um ihm ein blutige- Schauspiel zu
ersparen.

Politische Ueberficht.

Freifinnige Blätter haben sich sehr besorgt gezeigt, daß
der RtgierungSbaumeister a. D. Keßler überall, wo
rr stch iu Deutschland niederlaffen möchte, auSgewiesen wer-
den könntr und somit daS Rechk der Freizügigkeit in diesem
Falle praklisch aufgehoben wäre. Keßler ist auS Berlin
auSgewirscn worden auf Grnnd deS SozialistengesetzeS bezw.
anf Grund deS kieinen BelagerungSzustandeS, dcr üdcr Ber-
>in verhängt ist. Sein Treiben ist bekannt, «r hat nament-
Uch al« BersammlungSredner und Redakteur deS „Baohand-
werkerS" schr zur Berbitterung der Lohnstreitigteiten zwischen
Meister und Gesellen beigetragen. Er begab fich nach
Brandenborg, wurde aber auch hier auSgewiesen. nicht auf
Grunb deS SorialistengesetzeS, welcheS dazn, da über Bran-
denburg der kleine BelagermigSzustand nicht verbängt ist,
keine Handhabe bot, sondern anf Grund deS preußischen
GesetzeS von 1842 über die Anfnahme neu anzichender Per-
sonen, welcheS den Gemeinden daS Rechl giebt, Personen,
welche stch durch ihre Vorbestrafungen als für di« öffentliche
Sicherheit oder Moralitäl gefährtich erwiesen haben, den
Znzug zu verwtigrrn. Darauf ging Keßler nach Braun-
schweig. wo ihn daffelbe Schicksal errilte. Die Braunschwei-
ger Behörde wieS ihn an«. weil daS FreizügigkeitSgesetz für
daS Reich in seinem § 3 bestimmt, daß solchen Personen.
welche wegen ihrer Bestrafnngen in einem BundeSstaate
AufenthaltSbeschränknngcn unterlirgen, seder andcre BundeS-
staat den Aufenthalt verweigern kann. Non fteht allerding«
die Sache so. daß Keßler, obglrich preußischer Untrrthan,
an keinem Orte vor AuSweisung stchrr sein könnte. Da«
erschiene um so härter, wenn eS wahr wäre, waS daS„Berl.

ES war heute bitter kalt. und beim stnndenlangen Umher-
fahren in Stadt und Borstadt, beim Ein- und Aussteigcn
dringt die Kältr tchließlich doch dnrch, trotz Pelz und Fnßsack.
Jch nahm also ein GlaS Gro, an vom „Sltesten Jamaika";
da aber dic Sitzung «ine etwaS längere zu werdcn versprach,
bat ich Herrn Krusc, meinen Wagen nach Hause zu schicken.
Jch ging ohnehin lieber nachher daS Stückchen btS zu meiner
Wohnung.

Die tzübsche Stinc brachte daS Erfordcrlicke,u unserer
Stärtung. Herr Kruse belorgte die Mischung, offerirke mir
eine echtr TrabnkoS, uod dann saßen wir einander gegen-
über vor dem flammenden Kamin nnd blickten un« an. WaS
mochte er vvn mir wollrn? Krank schjcn er nicht zu sein,
und daß seine Fran ganz wohl sei, erfuhr ich auf meine
Frage, deSgleichen sah Stine durchau« nicht elend anS, die
dralle Dcern in der kieidsamen Tracht der Hamburger
Dienstmädchen mil den runden Armrn nnd dem feinrn Tüll-
HSndchen anf dem Kopfe.

„Herr Doktor", begann der alte Mann endlich, und wie
rS mir schien, eio wenig veriegen, „ich habe Sie gekannl,
alS Sic noch im Kindcrrock umhcrliefrn, und jetzt sind Sie
cin berühmier Arzt. Verrcihcn Sie mir altem Mannc. —
jch möchte rtwaS fragen und sürchte doch, indiSkret zn rr-
scheinen."

„SLiebtn Sie nur lo». Herr Krusc!" bat ich und nahm
einen SLluck der wirklich trcfflichrn Herzstärkung. „fragcn
Sie immerhili; ob ich antworlrn kann oder dars, bleibt
ja vorbehaiten."

„NiLt wahr, Herr Doktor, Sie stnd Arzt deS alten
Gleißberg?"

„Ja!" bestätigte ich.

„Ich hätte ihn so gern in einer wjchtigen Angelegenheit
persönlich grsprochen", sagke mein Gegenüber. „ich versuchte
«S zweimal; er nahm mich nicht an."

„Er ist seir längerrr Zeit leidend", bemerkte ich kurz
znr Dache.

„Ja gewiß, Herr Dokror. Aber man weiß doch, daß er
fich im Kontor zeigt. daß rr sogar auSfährr bei schönem
Wctter. — da könntr er doch wohl einer so dringenden Bittc
oachgeden. und mich für einrn Augenblick anhören."

„Sie wollen wahrschcinlich meine Bermittelung in An-

VolkSblatt" sagt, daß Keßler vor 13 Jahren nur wegen
„nnbedentenden BergehenS" bestraft worden wäre. Die
sreistnnigen Blättcr haben diese Mittheilung lebhaft auf-
gegriffen, aber ste ist nicht wahr. Ein Hamburger Blatt
meldet mit aller Bestimmthcit, daß Keßler 1) wegen vor«
sätzlicher Körperverlctzung mit 3 Wochen Gefänguiß, 2) we-
gen versuchtcn BetrugeS mit 3 Monaten Gefängniß, 3) we-
gen Bramtenbeleidignng mit 150 Mk. Geldstrafc, 4) wegen
PreßvergehenS mit 100 Mk. Geldstrafc bestraft worden ist.
Mit dem unbedeutenden Bergrhen scheint das sozialdemo-
kratische Blatt den versuchlen Betrug gemeint zn haben. ES
hätte aber gewiß im Jntereffe KeßlerS gelegen, wenn
srine wirklichen Vorbestrafungen nicht bekannt geworden
wären. Die unbefangeneren lideralen Blätter haben denn
auch bereitS zugegeben, daß nunmehr die Sache ander« liegt
und Brandenlmrg wohl Veranlaffung hatte, sich den Zu°
züglrr näher anzusehen. Im Uebrigrn glauben wir nicht,
daß Keßler an jedem Orte auSgrwiefen werden würde.
Bisher hat er gerade sslche Städte aufgesucht, wo er seine
sozialiflischen Wühlereien am besten fortsetzrn konnte. Bran-
denburg, wo er dcn Berliner Sozialdemokraten nahe blieb
und Braunschweig, wo die «xtrcme internationale Richtung
einen alten Stammsttz hat.

Weil eine Anzahl von Sozialisten wegen Erpreffung.
begangrn gelegentlich eineS StrikeS, von einem Newyorker
Gericht verurtheilt worden find, nnd wcil dabei ein Richter
e« bemerkenSwrrth gefunden, daß eS zumeist AuSländer.
Fremde seien, welche in so schnöder Weise dir Gcsetze deS
LandeS mißachteten, passtrt in einer geharnischen Erwide«
rnng anf diese richterliche Bemcrkung der sozialistischcn

„Newyorker VolkSzeitung" daS naive Geständniß: ..

daß aber Menschen, die unter einer Republik leben, ebcn
so verdorben sein lönnen, wir irgend welche europäische
Despoien eS find, da« müffen fie (die Neueingewandertcn)
erst auS Erfahrung begreifen." Sonst wird, so bcmerkt mit
Recht der „Hamb. Korr.", die Republik von der Sozia-
listenpreffe immer alS die Jdealversassung ein«s
Staatrs gepriesen. Aber nun, Bauer, da rS den Sozia-
listrn auch in Amerika an den Kragen geht, ist das ganz
was Anderes.

Der „Baver. Knrier" richtet folgende Warnung an
die Nvreffe drr „Germania": „Wenn wir gegen einigc Mit-
theilongtn unsere« römischen korrespondenten mißtrauisch
ware», so hatlen wir dazn allen Grund, und wir ralhen
der „Germania". ouf die „Reklamationen" (die römischen
anf daS Handschreiben deS bayerischen Prinz.Regentcn) trotz
dtr„Polirischen Korrespondtnz" nicht gar zn stcher zn pochen,
«S könnte sich einrS TageS hrrauSstrllen, daß bei der Sache
eine recht eigenlhümiiche — VerwechSlung voriiegt. Wenn
wir daS sagen, so wollen wir gleich beifügrn, daß wir ni»t
auS „Lutz'schen" Quellen schöpfro."

Ueber deutsche handelSpolitisLe Bestrebungen
im Orient schreibt die Wiener „Pol. Corr.": „Jm
Pyräus «rwartel man, wie unS von dorthcr geschrieben
wird, in der allernächstrn Zcit ein großeS deutscheS Dampf.
schiff, anf welchem dir industriellen Erzeugniffe von 72 grö-
ßeren veutschen JndustrieetabliffementS zur allgemeinrn Be-
stchtigung auSgestellt find. Jm gegrnwärtigen Augenblicke
befindet stch diese schwimmende AuSstellung, welche in Ham-
burg auSgerüstet wurde, in Beirut, von wo ste nach
Smhrna, dann nach Konstantinopel, und zuletzl nach dem
PiränS kommen wird. Jm PiränS ist man, schon der Neu-
hrit der Sache «egen, auf dirse deutsche Augstellung sehr
gtspannt."_

Konstantinopeler Berichtrn znfolge hat fich die Pforte
längere Zeit schon eifrig bemüht. eine Versöhnung
zwischenRnßland undBulgarien anzubahnen. Einer-
seitS sollen diese Versuche direkt von Kooftantioopcl aus,
anderrrseitS durch den türkischen Bertrrler in Sofia,
Gadban Effendi, betrirben worden sein. Man fügt
aber auch hinzu, daß fich ein Erfolg dieser Bemühungen
niLt einstellen wollte, nnd rS scheint, daß die Pforle ihre

spruch nehmen?" fragte ich vnumwunden, und mußte dabet
läch-ln.

„Ja!" -ab cr zu. „Jch wäre Ibnen unendlich dankbar,
wenn Sie mir Gelegenheit verschaffen, daS heißt — wenn
Sie ihn dazu vermögcn, mich zn cmpfangen, ober — wenn
dirS denn durchauS nicht möglick — vielleicht selbst — —"

„Um waS bandelt eS fich denn. wenn ich sragen darf?"
unterbrach iL den altrn Herrn, der unruhig vor mir saß
nnd stch veriegcn die Händc rieb.

„C. W- Gleißberg besttzt ein HauS in der Reicbenstraße,
sein NackbarbauS; rine mir bekannte Dame wünscht e- zu
?auf«n; daS HauS ift unbewohnt, wird gar nicht bcnutzt und
würde gut und baar dczahit werden."

„Better Herr Kruse', lachte ich nun wirklich, „ich fürchie,
zum HauSmakler tauge ich schiecht; ich glaube sogar, Herr
Girißderg nimmt mich gar nicht alS solchen an."

„Aber ein Arzt hat oft so großen Einfluß —"

„Gewiß. liebster Herr Kruse, adcr «in einfacheS Kauf
geschSft enkziehl stch doch wohl diesem Einfluß, den Sie über-
dieS zu hoch ansLlagen."

ES mnßle die Sache einen Hakcn haben, daS wnrde mir
sofort klar an» dem Benchmen veS alten Herro. Er rückte
nngeduldig hia nnd her, als möchte er wohl redcn, dürfte
aber nicht. und meint« endlich, „ja, eS sind besonvere,
eigenthümliche Umstände vorhondcn, bie fich leider der Mit-
thciluiig vorläufig rnkziehen. und überbaupk für den Drittcn
kcin Jntereffc haben. Käuferin ist gegenwärlig anch nicht
dier. ste wird wohl erst im Mai anlangen: hat mir aber
Vollmacht ertheilt."

„Und Sie baben den dringenden Wunsch, im Jntercffe
der Dame daS GesLäft zu Stande zn bringen, Herr Kruse?"

,.DaS ist'«!" rief er. „Jch persönlich habe nichtS dabei."

„Die Damc ist Jbnen wohl krine Fremde/" Und alS ich
den atten Herrn erröthen sah, fügke ich hinzn: „Dürfen Sie
mir den Namen derselben anvertvauen, für drn Fall, daß
Herr Gleißberg sragen sollte?"

„Also Sie wolleii eS versuchen, bester Herr DoUor?"
DaS klang sehr freubig, unb er rerchte wir die Hand. „Die
Dame heißt Leroy, Madame Baptiste Leroy; fie ist eine
Dentsche ood kennt Hamburg bereit«. Sie scheint am hiefi-

nutzlofen Versuch^ aUfgegM» häbe. Jnzwischen werden
nachträgli» allerlei Beiträge zur Krnntniß der intimen Vor-
gänge «n Bulgarien selbst geliesert, und auS denselben geht
hervor, daß der tkürzlich demisstonirte bulgarische Justiz-
minister Radoslawow rine zweidenlige Rolle gespielt
habe. Derselbe hätte nämlick dahin gewirkt, daß entgegen
der Poliiik deS Fürsten und deS MinisteriumS die Sobranse
die bekannten Konstantinopeler Konfercnzdcschlüffe ablehnen
und die thatsächliche Union bei dcn Buigaren proklamiren
solle. Er hälte demgemäß eine Art Sprengversuch gemacht
und als Minister gcgcn seinen Fürsten und das Kabinet
operirt. Ob eS richtig ist, daß, wie man durchblicken läßt,
Radoflawow eizentlich daS geheime Werkzeug der panila-
vistischen Oppostiion in Buigarien gewesen sei, ist nicht klar
zu erkennen; aber daß ihn eine Kiuft von seinen Collegin
getrennt hat, geht daraus hervor, daß er sich unmittelbar
nach dem AuStritt auS dem Ministerium an die Spitze der
Opposttion in der Sobranse gestellt hat. Först und Regie-
rung haben an ihm einen jsdensallS nicht zu unterschätzen-
den Gegner.

Der „Moniteur de Rome", welcber bekanntlich direkt
vom Batikan abhängt, kommt in einer seiner jüngsten Num«
mern auf dieErrichtung eine« päpstlichcn Nuntiatur
in Pcking znrück und wundert stch, daß wan darin in
Frankrcich eineVerlctzung der französischenSchntz-
rechte erblicken könnc. „Dic Verträgc, welche zwischen
Frankreich und China bestehen mögen", so fahrt daS Blatt
fort, „werden nicbr asgetastet werden. Der Batikan hat
nicht die Gewohnheit, stch in die Sonderbeziehuagen zweier
Mächt- einzilmische», aber er konnle daS so vortheiihafte
Anerbieten ChinaS nickt unberückstchligt laffen, weil dadurch
die Mögiichkeit geboten ist, vcn KatholiziSmuS im äußerstcn
Osten auSzubreiten. WaS die Möglichkrit einer hcftigen
Christenverfolgung angeht, auf wrlche eine Pariser Aeitang
sich beruft, so hst der Batikan eine solche Möglichkeit lange
und sorgfältig inS Äuge gefaßt; er hat in VorsuSstcht eineS
solchen, übrigenS immer unwahrschrinlicher werdcndcn FalleS
zweifelloS seine Vorstchtsmaßregeln getroffen. Wenn ander«
seilS nnerwartete Rückichläge des FanatiSmus eintrttin soll-
ten, werden dann die Katholiken weniger gut gescbützt
sein, alS eS in den letzten Jahren nnter dem Regiment der
franjöstschen Schutzherrsckaft ver Fall war?" Der Vorwurf
ist, so bemerkt dazn die „KSln. Ztg.", ditter, aber die fran-
zöfischrn St>?atsmänner wrrden vngrfichts der Thatsacben
nicht lengnen lönnen, daß cr gerecht ist. llebcrhaupt läßt
die scharfe Sprache des päpstlichen BiatteS darauf schlicßen,
daß der Vatikan seincr Sache sicher lst; selbst Schreckschüffe,
wie dre Kündigung deS KonkordalS, verfangcn nicht mehr.
der „Monileur de Rome" fertigt dieselben mit der kühlen
Bemerkung ad, daß ein Abbruch der diplomatischen Be-
ziehungen Frankreich mehr schaden würde alS dcr Knrie.

Die Beziehungen zwischrn Frankreich nnv Jta-
lien haben stch bis jetzt nicht gebeffert. Der italienische
Botschafier hat zwar dem franzöfischen KonscilSprästdenten
die sreundschafliichstcn Berficherungen gegrbcn, aber alle
Bcrichte dtr^französtschen Konsuln in den italienischen Häfrn
melden von NlchtS wenigcr alS freundschastlichen Gesinnungen
der Jtaliener und felbst der Zollbehörden, welche dcr Ein-
fuhr der französtschen Erzeugniffe allerlei Schwierigkeiten
entgegenstellen. Noch größerc Erbitterung herrscht untcr den
italienischen Fischern an der afrikanischen Küste, wclche
unter der so plötziichen Veränderung der Berhältniffe be-
sondcrS hart zu leiden haben und fich auf jedc Weisr der
Urberwachnng der französtschen LriegSlchiffe zn entziehen
versuchen. Da di« Franzosen eintrctenden Falles gczwnngen
scin würden, gegen die ungefügigcn Fischer Gewait anzu-
wenden. so steht mau der weitern Entwickelun» dieser An-
geiegcnheit in Paris nicht ohnc Brfürcbtungen cntgcgen.

Westfches Reich.

S Verlt», 31. Juli. Seine Majestät der Kaiser
nahm. nach den auS Wildbatz Gastem direkt hierher gelang-
tcn Mitthcilungen, heute Vormittag dcn Vortrag deS
ChesS deS Militär-KabinetS, Gcneral.Lieutenant und Grnc-
ral-Adjutant von Aldedyli, entgegen. Znm Diner stnd
heute getaben der Gcneratquarliermeister, General - Lientr-

zen Orte -in Gelüiäft ctablircn zn wollcn mit ihrcm Com-
-agnon. DaS ist AlleS."

„Ohne daS, waS sich der Dtittheilnng vorläufig entzieht",
ägte ick lächctnd. „JÄ will el aiso »ersuchen, Herr Kruse'
mS „alter Bekanntschafl"; ich werde zunächst Herrn Glesß-
>erg sragen, ob er Sie cmpfanzen will, und sollte er dieS
iblehnen. ob er stch von dcm Hause zn trcnnen beabsichtigt,
md unter welchen Bedmgungen? Jft cS so recht?"

„Ja, Hcrr Doktor, und ich meine, Sie tbun ein gnteS
Werk. wenn Si« ein wenig zureden; eS ist ja frcilich viel
»erlangt."-


Die fünste Säcularseier der Heidelberger
Rusierto - Carolina.

Heidelberg. 29. Juli.

ES ist ein eigenthümlicker Zng unserer Zeit, stch sinnend
in die Vergangenheit zn vrrsenkrn und fie, wenn auch nur
in Wort oder Biid fich vorstellig zu machen. wie sie einst
wirklick war. Zeigte unsere Zeit nichl kräftigrs Streben
und Kämpfen genug, sowte nicht minvcr hohe Ziele, so
könntc man diese Art wohl für ctwas Kranthaftcs hattcn,
wie rS sa viele auch thun. Jubiläcn zn feicrn und dabei
große oder kleine historische Aufzüge zu vrranstalten, ist
hentzutage faft zur Modrfache geworden. Jndrffen ein
Jnbilar, welchcr cin haldeS Jahrraus-nd seine gure ideale
und patriotische, wissenschaftliche und Leben wirlende Arbeit
vollbrachte, hat zum Jnbiliren ein volles Recht. An der
Borzeit sich aufzurichten, ist auch etwaS wrrlh. MindestenS
kann man daS davon lernen, daß wir Epigonen es schwer-
lich „so hcrriich weit gedracht" hätten, wenn dic Bäter und
Vorväter nicht zu ihrer Zeit unier viel größeren Schwicrlg-
keiien bei vie! geringeren HilsSmilteln, die ihnen zu Ge-
bot« standen, so lüchtig, flettzkg und treu gewefen wären.
Möckke daS leicht zum Uebermnlh geneigle Geschlechl
unsercr Zeit auch auS bem Heidetberger Fest den guten deut-
schen Sprnch lcrncn:

WaS Dn ererbt von Deinen Vätern hast,

Erwirb eS, um eS zu besttzen.
 
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