Ansatzpunkte
traditionellen künstlerischen Aufgaben'. Auch Raphael hat in seiner vorrömischen
Malerei diese Möglichkeit mit großer künstlerischer Intensität und weit über die
Gattungsanforderungen reichendem Ernst genutzt: Hierfür spricht nicht nur, daß
Raphael die meisten der aus seinem CEuvre überlieferten Predellen - im Unter-
schied etwa zu Perugino, der gerade diese Gattung gerne den Händen seiner
Werkstattmitarbeiter anvertraute - eigenhändig ausgeführt hat8, sondern auch,
daß er dabei durchweg auf eine überragende malerische Qualität geachtet hat.
Raphael ist weder erst mit der Grabtragung (Abb. 59) am Ende seiner Florentiner
Jahre, noch mit den Fresken der Stanzen in Rom >exnihiIo<zum Erzähler geworden,
sondern er hat sich von Anfang an seines Schaffens in den kleinen Historien der
Predellen zum Erzähler gebildet. Und auf die Farbgestaltung und die Farbkompo-
sition als idiomatische und thematische Größe der Bilderzählung ist in diesem
Zusammenhang im folgenden besonders zu achten.
Fragt man sich nach den angemessenen Analysekriterien zum Verständnis von
Raphaels Historien in den Predellen, so ist es ratsam, in dieser Hinsicht vorab kurz
die Beschreibungen des 16. Jahrhunderts zu betrachten. Giorgio Vasari hebt an
Raphaels Bilderzählungen!l vier übergeordnete künstlerische Aspekte hervor. Er-
stens sei jedes Detail in Raphaels Historien so sinnvoll erfunden, daß es von sich aus
sprechend sei: »Es ist unmöglich alle Kleinigkeiten in Raffaels Werken zu beschrei-
ben, wo jeder Gegenstand in seinem Stillschweigen zu reden scheint.«10 Zweitens
habe Raphael eben »nicht nur [...] eine Menge solcher Einzelheiten wohl beachtet,
A. Preiser, Das Einstehen und die Entwicklung der Predella in der italienischen
Malerei, Hildesheim, 1973. C. Gilbert (A miracle by Raphael, 1965, S. 8) hebt mit Hecht
die experimentellen Qualitäten der Predella hervor.
Eine Mitarbeit von anderer Hand ist in Raphaels Predellen m. E. nur in der farbigen
Ausführung der Beweinung Christi (Abb. 51) und des Engels aus der Darstellung von
Christus am ölberg (Abb. 50) nachzuweisen (hierzu weiter unten, S. 434f., 442). Die
Farbigkeit der jüngst wieder im Kunsthandel aufgetauchten///. Katharina von Aiexan-
drien (Holz, 38,2 x 14,5 cm, Abb.: Christie' s New York. International Magazine I 1. Jan.
1991, S. 40) ist durch den offenbar schlechten Erhaltungszustand kaum mehr zu beur-
teilen und bleibt in diesem Zusammenhang ausgespart (vgl. den zugehörigen Karton im
Louvre, schwarze Kreide, 29,5 x 15,5 cm, Inv.-Nr. 783 LR, Abb. bei E. Knab, E. Mitsch,
K. Oberhuber, Raphael, 1983, Nr. 22, ebenso den Karton zu einerweiteren Predellen-
tafel mit der Darstellung einer///. Magdalena, Feder, 30,2x9,5 cm, Berlin, Kupfersuch-
kabinett, KdZ 5172, Abb.: Ebd., Nr. 21; vgl. L. Dussler, Raffael, i960, S. 35, Nr. 47).
P. L. Rubin (Giorgio Vasari, 1995, S. 384) hat jüngst darauf hingewiesen, daß Vasari
Raphaels Bilder nie in Titel fixiert, sondern: »He narrates them, tributaryto Raphael's
inventive power.«
Vasari, Leben der ausgezeichnetsten Maler, 1983, Bd. 111/1, S. 227, vgl. Ders., Vite,
1981, Bd. IV, S. 361: »ogni cosa nel suosilenzio parche favelli«.
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traditionellen künstlerischen Aufgaben'. Auch Raphael hat in seiner vorrömischen
Malerei diese Möglichkeit mit großer künstlerischer Intensität und weit über die
Gattungsanforderungen reichendem Ernst genutzt: Hierfür spricht nicht nur, daß
Raphael die meisten der aus seinem CEuvre überlieferten Predellen - im Unter-
schied etwa zu Perugino, der gerade diese Gattung gerne den Händen seiner
Werkstattmitarbeiter anvertraute - eigenhändig ausgeführt hat8, sondern auch,
daß er dabei durchweg auf eine überragende malerische Qualität geachtet hat.
Raphael ist weder erst mit der Grabtragung (Abb. 59) am Ende seiner Florentiner
Jahre, noch mit den Fresken der Stanzen in Rom >exnihiIo<zum Erzähler geworden,
sondern er hat sich von Anfang an seines Schaffens in den kleinen Historien der
Predellen zum Erzähler gebildet. Und auf die Farbgestaltung und die Farbkompo-
sition als idiomatische und thematische Größe der Bilderzählung ist in diesem
Zusammenhang im folgenden besonders zu achten.
Fragt man sich nach den angemessenen Analysekriterien zum Verständnis von
Raphaels Historien in den Predellen, so ist es ratsam, in dieser Hinsicht vorab kurz
die Beschreibungen des 16. Jahrhunderts zu betrachten. Giorgio Vasari hebt an
Raphaels Bilderzählungen!l vier übergeordnete künstlerische Aspekte hervor. Er-
stens sei jedes Detail in Raphaels Historien so sinnvoll erfunden, daß es von sich aus
sprechend sei: »Es ist unmöglich alle Kleinigkeiten in Raffaels Werken zu beschrei-
ben, wo jeder Gegenstand in seinem Stillschweigen zu reden scheint.«10 Zweitens
habe Raphael eben »nicht nur [...] eine Menge solcher Einzelheiten wohl beachtet,
A. Preiser, Das Einstehen und die Entwicklung der Predella in der italienischen
Malerei, Hildesheim, 1973. C. Gilbert (A miracle by Raphael, 1965, S. 8) hebt mit Hecht
die experimentellen Qualitäten der Predella hervor.
Eine Mitarbeit von anderer Hand ist in Raphaels Predellen m. E. nur in der farbigen
Ausführung der Beweinung Christi (Abb. 51) und des Engels aus der Darstellung von
Christus am ölberg (Abb. 50) nachzuweisen (hierzu weiter unten, S. 434f., 442). Die
Farbigkeit der jüngst wieder im Kunsthandel aufgetauchten///. Katharina von Aiexan-
drien (Holz, 38,2 x 14,5 cm, Abb.: Christie' s New York. International Magazine I 1. Jan.
1991, S. 40) ist durch den offenbar schlechten Erhaltungszustand kaum mehr zu beur-
teilen und bleibt in diesem Zusammenhang ausgespart (vgl. den zugehörigen Karton im
Louvre, schwarze Kreide, 29,5 x 15,5 cm, Inv.-Nr. 783 LR, Abb. bei E. Knab, E. Mitsch,
K. Oberhuber, Raphael, 1983, Nr. 22, ebenso den Karton zu einerweiteren Predellen-
tafel mit der Darstellung einer///. Magdalena, Feder, 30,2x9,5 cm, Berlin, Kupfersuch-
kabinett, KdZ 5172, Abb.: Ebd., Nr. 21; vgl. L. Dussler, Raffael, i960, S. 35, Nr. 47).
P. L. Rubin (Giorgio Vasari, 1995, S. 384) hat jüngst darauf hingewiesen, daß Vasari
Raphaels Bilder nie in Titel fixiert, sondern: »He narrates them, tributaryto Raphael's
inventive power.«
Vasari, Leben der ausgezeichnetsten Maler, 1983, Bd. 111/1, S. 227, vgl. Ders., Vite,
1981, Bd. IV, S. 361: »ogni cosa nel suosilenzio parche favelli«.
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