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Die Landschafter von Fontainebleau

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Der Anschluß an die alten Holländer, den in England besonders
John Crome gefunden hatte, erwies sich als eine heilsame Hygiene.
Sie hatten ihre Heimat geliebt und studiert, diese Hobbema und
Jan van Goyen, und in ihr koloristische Schönheiten und malerische
Reize entdeckt, aus denen man mit Objektivität große Kunst machen
konnte. Die Tradition war unterbrochen worden, als die holländische
Bürgerkultur in der Welt abgelöst wurde durch die französische Hof-
kultur. Hier konnte eine neue Zeit, deren Kultur abermals bürgerlich
sein sollte, wieder anknüpfen und die vergessene Sprache neu lernen.
Für Kinder einer Großstadtzivilisation aber mußte der Schritt aufs
Land wie eine Offenbarung wirken. Denn es handelte sich nicht nur
um das Sichtbare, nicht nur um die Eroberung eines neuen Stoff-
gebietes. Was sie hinaustrieb, war Romantik. Die Sehnsucht, sich
zu verlieren im Anblick der Unendlichkeit der Welt, die Stimmung
der Seele auszudrücken, sich als Teil des Weltalls zu empfinden —
„wie fühle ich mich so groß, so klein!“ Der Mensch will nicht
mehr das Maß aller Dinge sein. Klassizismus verlangte dies, so
sehr, daß sonst gar nichts mehr existierte außer dem, was menschlich,
durch die Gestalt des Menschen, begrenzt war. Jetzt aber sollte
auch das Unfaßbare, das Unbegrenzte Träger und Gefäß des Aus-
drucks werden. Die menschliche Seele lebt nicht im Körper allein,
sie tritt aus ihm heraus und durchdringt mit ihrer Kraft alles, Eichen
im Sturm werden Helden in romantischer Schlacht, und der Mensch
ist wie Gras. Heidentum des Klassizismus wird verdrängt durch
den Pantheismus der Romantik.
Die stärkste Persönlichkeit unter diesen Stadtflüchtigen war
Theodore Rousseau. Ein in seiner Naturliebe heroisches Tempe-
rament, gezügelt von einem fast gelehrtenhaften Forschertrieb
und einem bis ins kleinste gehenden Fanatismus der Beobach-
tung. Er malte den Wald und seine Felsen, die Sümpfe und die
mächtigen Bäume mit einer zeichnerischen Demut, die mitRuisdael
und Hobbema verwandt erscheint. Ein männlicher Geist, der ganz
große Naturstimmungen erlebte und nachdichtete. Durch hart-
näckiges Studium kam er der Seele der Landschaft, der Bäume,
seiner Eichen nahe. „Durch den Einklang der Luft und des Lichts
mit dem, was sie leben und aufleuchten lassen, will ich es erreichen,
daß ihr die Bäume unter dem Nordwind stöhnen, die Vögel ihre
Jungen rufen hört.“ Natur ist seine Sehnsucht, von Kunst ist
etwas weniger die Rede. Das Gefühllose der Natur, das Unnahbare
spricht aus seinen Bildern, von denen manche sehr schön sind. Er
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