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Edouard Manet

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die sogenannte „Nana“. Mit der Heldin des Zolaschen Romans
hat sie eigentlich sehr wenig zu tun. Sie heißt so, weil der Typ damals
so getauft war. Auch das feine Genrehafte, das in dem Gemälde
versteckt liegt, hat nichts Indezentes. Die blonde Person, die da in
dem kostbaren Milieu der femme soutenue steht und sich pudert und
die Lippen schminkt, diese reizende Person hat, genau wie Manet,
etwas so Gesundes und Naivgebliebenes, daß man auf Hintergedanken
gar nicht kommt, sobald man nur einen Augenblick, vergleichend,
an solche Szene in der Wirklichkeit denkt. Künstlerisch aber war
das Motiv gefährlicher; es ist doch der „Chic de Paris“, den Manet
zu malen sich unterfing. Indessen, die Gefahr, in öde Eleganz zu
verfallen, vermied Manet durch eine sehr weitgehende Entmateria-
lisierung des Stofflichen.
In jenen Jahren hatte Manet eine ausgesprochene Vorliebe für
helles Blau mit Rosa, so wie früher für Schwarz mit Rosa. Das viele
Malen im Freien, besonders am Wasser, hatte ihm die Vorliebe für die
damals unbekannte Leuchtkraft dieser kühlen Farbe gegeben. Es
wird immer heller unter seinem Himmel. Nicht immer aber bewäl-
tigte er das Problem völlig; er fand nicht stets sofort das Gleich-
gewicht zwischen der strahlenden Helligkeit der Landschaft und
den Gestalten „im Boot“ und übernahm sich bisweilen im Format.
Es macht doch ein wenig nachdenklich, zu sehen, wie im „Gewächs-
haus“, wo doch alles schattenlos und wie im Freien dasteht, eine
Geschlossenheit erreicht ist, die im „Boot“ nicht ganz realisiert
wurde. Er wollte sich von den Sonnenflecken die Flächen seiner
Figur nicht zerstören lassen und fand den Ausweg unter einem
schützenden Glasdach. Das Bild ist fest und reich, dabei flüssig und
leicht gemalt, architektonisch sicher, von der äußersten Souve-
ränität, als Ganzes der Malerei kühl, wie der Vorgang. Bei so viel
feiner Lebendigkeit im Aufbau wäre größere Lebendigkeit des Aus-
drucks in den Gesichtern am Ende störend. Der Gegensatz zwischen
dem Undurchdringlichen in der Modellierung des Frauenantlitzes
und dem etwas Skizzenhaften des Männerkopfes sagt alles, was
Manet über das Menschliche zu sagen für nötig fand. Für bewegtere
Szenen, wie etwa das „Skating“ oder das „Cafe“, entwickelte er
den Stil des Desboutin zu größerer Robustheit und charakteristisch
betonter Schärfe.
In seinen letzten Jahren, als ihn sein Rückenmarksleiden an der
Bewältigung größerer Aufgaben verhinderte, malte Manet viele
Frauen. Und Blumen. In seiner Stillebenkunst, der schönsten Still-
 
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