Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Impressionisten

67

Schatten, das Schwarz und das Grau, verschwinden. Schließlich
werden die Schatten farbig und Schatten im Halblicht und Re-
flexe sind dann keine Gegensätze mehr zum Licht, sondern nur
eine andere, gleichfalls farbige Form des Lichtes. Aber diese
leidenschaftliche Beobachtung der farbigen Naturerscheinung bis
in ihre feinsten und tausendfältigsten Nuancen hinein, führte, neben
dieser großen Helligkeit, auch zu einer anderen Art des malerischen
Vortrages. Da in der Natur unter dem Einfluß des Lichts und
der Atmosphäre alles in ewigem Wechsel begriffen ist, mußte
diesem schnellen und wachsamen Sehen nun eine schnellere, leben-
digere Niederschrift folgen. Nicht nur das Auge, sondern auch die
Hand arbeitet jetzt eiliger. Die einzelnen Dinge in der Natur,
ein Baum, ein Flußlauf, ein Haus, ein Mensch, können nicht mehr
modellierend gezeichnet werden, sondern müssen, wenn sie der Ge-
samterscheinung untergeordnet sein sollen, als Farbflecke schnell
hingeschrieben werden, und die Farbflecke müssen mit offenem
Pinselstrich und unverbunden stehenbleiben, skizzenhaft nur an-
gedeutet, nur als Illusion. Wären alle Einzeldinge bei solchem
Sehen fertiggemacht, so würde das Auge des Betrachters sich
an solchen Einzelheiten festsaugen und nicht mehr die Gesamt-
erscheinung mit ihrem Wechsel aufnehmen können. Die Farben
werden nicht mehr auf der Palette oder auf der Leinwand ge-
mischt, sondern dieser Mischungsprozeß wird dem Auge des Be-
schauers überlassen. Dies ist die neue hohe Wahrheit, die der Im-
pressionismus entdeckt und die er in unsäglichen Kämpfen mit dem
Publikum schließlich durchgesetzt hat. Wohl gehören diese Kämpfe
der Vergangenheit an, und so hart sie für die Künstler sein mochten,
sind sie heute bedeutungslos geworden; der Impressionismus ist eine
europäische Tatsache und hat sich die Kunst erobert, für zwei
Generationen hinaus. Rückschauend aber versteht man, daß dieses
neue Sehen solche ungeheure Empörung hervorrufen mußte. Es war
wie alles Schöpferische durchaus neu, und wenn man eben noch um
Courbet gekämpft hatte, so konnte man unmöglich sich jetzt mit
dieser ganz anderen Art auch schon wieder abfinden.
Claude Monet war mit Courbet befreundet und hat von ihm
in seinen Anfängen manche Förderung erfahren, ebenso wie von
Manet. Als junger Mensch von den Landschaftern Boudin und
Jongkind, die in der Gegend von Havre einen persönlichen Im-
pressionismus der Marinemalerei trieben, stark angeregt, be-
geisterte er sich in Paris für Troyon und seine leuchtenden
5*
 
Annotationen