Hausanlage1 aus dem Grabe des Enene2
Schech abd el Gurna Nr. 81,
erster Raum, erster Pfeiler von rechts.
Zeit: Amenophis I. — Thutmosis III.
(um 1560 v. Chr. G.).
Malerei auf Stuck.
Das Grundstück3 des Enene zeigt die Bigenschaft aller Besitzungen wohlhabender Ägypter,
daß es nämlich gegen die Außenwelt völlig abgeschlossen ist. Eine hohe, krenelierte Mauer
umgibt den ganzen Komplex; zwar ist nur das an der Straßenfront gelegene Stück im Bilde
angegeben, in Wirklichkeit ist die Mauer aber um das ganze Anwesen herumgegangen.
Von der Straße führen zwei Tore ins Innere, von denen das linke nur noch schwach erkenn-
bar ist. Von der Tage der einzelnen Gebäude ist eine klare Vorstellung aus dem Bilde nicht
zu gewinnen, weil der Maler die Tiefe des Raumes nicht wiedergibt4. Aber hier bietet der
Grundplan des „Weihnachtshauses“ von Teil et Amarna (Mitt. DOG. 52,11) den Schlüssel zum
Verständnis, es zeigt gleichzeitig, daß man
sich die Sache nicht so einfach vorstellen
darf, wie es nach dem Bilde scheint. Dort
gelangt man durch den Bingang in einen
länglichen Vorhof, aus dem links eine Tür
in den Wirtschaftshof und geradeaus eine
andere zum Wohnhaus führt. Zwischen
dem Wohnhaus und den Wirtschaftsgebäuden
liegen in einem besonderen Höfchen die Silos.
Dahinter erstreckt sich in der ganzen Breite
des Grundstückes der Garten, in den ein be-
sonderer Bingang von einer anderen Straße
her führt.
Im großen und ganzen wird man sich
den Gebäudekomplex auf dem Grundstück
des Enene ebenso vorzustellen haben. Man
sieht hinter der Umfassungsmauer von links
nach rechts das Wohnhaus, die beiden runden
Getreidesilos und ein langgestrecktes Ge-
bäude mit gewölbtem Dach aufragen, in dem
man gewiß das Wirtschaftsgebäude sehen darf.
Nach dem Plane des „Weihnachtshauses“
und nach dem, was wir sonst wissen, ist es
nicht zweifelhaft, daß das Wohnhaus nicht direkt an der Straße gestanden, sondern etwas
zurückgelegen hat. Von den beiden Toren ist das links dem Wohnhaus gegenüber gelegene
als der herrschaftliche Bingang anzusprechen, das andere führte in den Wirtschaftshof, der
von dem Vorplatz vor dem Wohnhaus wohl durch eine Mauer getrennt war. Die Silos haben
schon zum Schutz gegen Diebe gewiß inmitten des Wirtschaftshofes gestanden, vielleicht in
einer eigenen Ummauerung, sicher aber so, daß die Buken vom Herrenhaus kontrolliert werden
konnten. Das Wirtschaftsgebäude hat sich an der rechten Seitenmauer entlang gezogen,
zwischen ihm und dem Bingang lag ein freier Platz, den ein Baum beschattete.
Das Wohnhaus ist ein Ziegelbau mit zwei Stockwerken, die von je vier Fenstern erhellt
werden, soweit die enge Vergitterung es zuläßt (s. dazu Taf. 48, besonders Anm. 2); die Silos5
sind hohe, kegelförmige Gebäude aus Nilschlamm oder
lufttrocknen Ziegeln mit einer holzumkleideten Öffnung
in Schulterhöhe, durch die das Getreide eingefüllt wird
(s. Taf. 63). Das Diener- oder Wirtschaftsgebäude daneben
scheint einstöckig und fensterlos zu sein, das Dach ist
gewölbt, die Wände geweißt.
Die Wiedergabe des Gartens ist in mehreren Punkten
problematisch. In weitaus den meisten Gartenanlagen
hat das rechteckige Wasserbassin, aus dem die Pflan-
zungen getränkt wurden, den Mittelpunkt gebildet. Hier
ist es dicht an das Wohnhaus herangeschoben. Ob das
nun ausnahmsweise im Garten des Bnene wirklich so
gewesen ist, ist natürlich nicht zu sagen.
1 Prisse Text S.218; Perr. Chip. 443; Maspero Arch. 14; Masp.-St. 10; Metn. Miss. 18, 1; Jequier 259.
2 S. Taf. 58,1 u. 2. 3 Häuser: Wilk. II 127; Wilk.-B. I. 365; Perr.-Chip. 445 ; Weiß 68; Weiß Gesch. 231;
Erman 248; Masp. Arch. 13; Masp.-St. 9; Spiegelt». Kunst 43; Masp., Au Temps 100; Jequier 258.
4 Zur Methode der Wiedergabe von Gebäuden: Perr. Chip. 413; Erman 248. 5 Modell Berlin.
An dem Weiher hat häufig eine Baube gestanden. In Bnenes Garten erscheint sie ganz
nach hinten in die linke Ecke verlegt; Bnene und seine Gattin sitzen drin und lassen sich
von einem Diener aufwarten. Auch hier sind Zweifel an der richtigen Wiedergabe der tat-
sächlichen Verhältnisse erlaubt. Der Platz am Weiher wurde wegen des Ausblicks auf den
Wasserspiegel gewählt, und weil man dort, ungehindert von den Baumkronen, den kühlen
Abendwind genießen konnte; beide Annehmlichkeiten sind Bnene entgangen, wenn man der
Zeichnung glauben muß. Hat nicht vielleicht der Maler diese relativ umfangreiche Szene in-
mitten der Symmetrie der Gartenanlage als unorganisch empfunden und sie deshalb an die
Ecke geschoben, wo die lüste der Gewächse, die er auf Enenes Wunsch dorthin setzen mußte,
sowieso sich störend breit machte ? Daß er den lotuspflückenden Diener beim Weiher beließ,
wäre kein Gegengrund, den konnte er aus sachlichen Gründen nicht anderswo hinstellen. —
Der Garten hatte an der Rückseite wohl noch einen Eingang von der Straße her wie der des
„Weihnachtshauses“, vgl. auch Taf. 3.
Die Gartenanlage6 ist wenig künstlerisch. Die Bäume und Sträucher sind in parallelen
Reihen, jede Art für sich, angepflanzt. Einige Arten hat der Maler zu charakterisieren ge-
sucht, die Dattelpalme und Dumpalme in den beiden hintersten Reihen, vielleicht die Syko-
more durch die direkt an den Zweigen sitzenden Früchte in der dritten Reihe und an den
Seitenmauern entlang; in der fünften Reihe links stehen wieder Palmen, darunter vielleicht
die Argunpalme. Es ist außerordentlich schade, daß der Garten nicht ganz genau wieder-
gegeben ist, denn dann hätten wir zusammen mit der Riste aller in ihm vorhandenen Bäume
einen unschätzbaren Beitrag zur Botanik und zur Gartenbaukunst der alten Ägypter gehabt
und auch philologisch viel Neues gelernt, nämlich die Bedeutung einer Menge von Pflanzen-
namen. — Die Riste ist heute nur zum Teil lesbar, Brugsch (Rec. de mon. I, XXXVI) hat
noch mehr gesehen, nämlich: 90 Sykomoren, 31 Persea, 170 Dattelpalmen, 120 Dumpalmen,
5 Feigenbäume, 3 sn-Bäume, 2 Ölbäume, 12 Weinstöcke, 5 Granatapfelbäume, 8 Ksb-t-Bäume,
16 Johannisbrotbäume, 5 Napeca, 5 Twn-Bäume, 1 Argunpalme (?), 2 Ht-ws-t-Bäume, .... Jstj-
Bäume, .... Jh-Bäume, .... Jmj-Bäume, 8 Weiden, 10 Tamarisken.
0 S. Taf. 3, 4.
Wresziuski, Atlas zur altäg. Kulturgesch. Tafel 6o(a-c)
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