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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0082
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78 BESPRECHUNGEN.

Tizian, es ist die in jenem Kreise übliche unbedingte Wertung der antiken Kunst
als des höchsten Inbegriffs aller künstlerischen Vollendung und vor allem die gründ-
liche Überschätzung des >Viergestirns« (Laokoon, Torso von Belvedere, Apoll und
der Borghesische Fechter), worin Webbs mit Mengs übereinstimmt, dem er auch
für die Anlage seiner Schrift weithin verpflichtet ist. Immerhin betont Hecht in dem
nur zu kurz ausgefallenen Kernstück (»Quellenfragen und Gesamtwürdigung« S. 43
bis 52) seines Buches ganz richtig die schärfere Kritik der Werke Raphaels und vor
allem die ganz andere Tendenz in der Schrift des Engländers. Webb will nicht,
wie Mengs, jüngere Maler fördern, sondern seine nach Italien reisenden Landsleute
vor schiefen Urteilen und vor einer, wir würden heute sagen snobistischen Einstel-
lung bewahren. Er hat auch die Quellen der antiken Kunstgeschichte gründlich
durchgearbeitet und sich eine eigene Anschauung von der Höhe der griechischen
Malerei zu erwerben versucht.

Im übrigen begnügt sich Hecht im wesentlichen mit einer genauen Inhaltsangabe
der Hauptschriften Webbs, d. h. eben unseres Inquiry, ferner der Remarks on the
Beauties of Poetry (1762) und der Observations on the correspondence between Poetry
and Musics (1769). Die späteren Schriften Webbs, die fast alle nach seinem Tode
in einem stattlichen Quartband (»Miscellanies, by the late Daniel Webb« 1802) ver-
einigt wurden, sind nur kurz beschrieben; wir können auch auf Webbs sprach-
geschichtliche Phantasien (Ableitung des Griechischen aus dem Chinesischen!), auf
seine Auseinandersetzung mit Macpherson in der Ossianfrage und seine Auszüge
aus Pauws »Recherches Philosophiqu.es sur les Americains* gern verzichten, zumal
uns Hecht durch einen sehr genauen Abdruck der »Remarks« mit sorgfältigem
Nachweis und Vervollständigung aller Zitate nach den Globe Editions der betreffen-
den Verfasser einen wirklichen Dienst erwiesen hat. Dagegen hätten wir aus dem
Bande »Literary Amüsements« (1787) gern die »Further thoughts on Manners and
Language« als Anhang abgedruckt gesehen, die auf die Remarks Bezug nehmen
und die Hecht selbst wiederholt als eine ȟberaus fein stilisierte, geistreiche Ab-
handlung« rühmt.

Hohen formalen Reiz können wir auch der hier vorgelegten kleinen Schrift
nachrühmen, die übrigens teilweise mit den Observations zusammen schon 1771 von
Eschenburg verdeutscht wurde'). Auch sie ist, wie das Inquiry, in dialogischer
Form gehalten, ohne daß von einer wirklichen Belebung des Gesprächs und der
sich Unterredenden etwas zu spüren wäre. Noch heut lesenswert ist die Vertei-
digung des englischen Blankverses gegenüber den gereimten Couplets wegen ihrer
feinen Beobachtungen über die Wirkung der freien Zäsur (pause), wegen ihrer Aus-
führungen über die doppelte (musikalische und gedankliche) »Harmonie« des Verses,
wegen ihres warmen Eintretens für Milton und vor allem für Shakespeare und wegen
jhrer Erörterungen über den Geniebegriff. Überall setzt sich Webb für eine Kunst der
»Bewegung« ein, für das dramatische Element in der Poesie, d.h. für den Aus-
druck menschlicher Gefühle und Leidenschaften. Eben darum lehnt er die drama-
tischen Einheiten ab, weil sie das dramatische Leben unterbinden. Dramatisch aber
nennt er auch (in den Observations), was Poesie und Musik mit einander verbindet,
also wiederum die bewegte Darstellung der Leidenschaften, während er die »Be-
schreibung« und die unmittelbare »Nachahmung« in der Tonkunst noch stärker ab-
lehnt als in der Dichtung.

') »D. Webbs Betrachtungen über die Verwandtschaft der Poesie und Musik,
nebst einem Auszug aus eben dieses Verfassers Anmerkungen über die Schönheiten
der Poesie.«
 
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