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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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Hagelberg, Lilli: Hofmannsthal und die Antike
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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0022
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II.
Hofmannsthal und die Antike.

Von

Lilli Hagelberg.

Immer ist die Antike ein Spiegel gewesen, in dem jede Zeit ihr
Wesen schauen konnte. Was die Gelehrtenpoesie des 17. Jahrhunderts,
was Goethe, was Nietzsche im griechischen Wesen sahen und erkann-
ten, hat uns zwar nichts Gültiges ausgesagt über die Welt, die hier
immer wieder neu angeschaut wurde, desto mehr aber über die, welche
diese Welt anschauten.

Wenn wir Hofmannsthals Verhältnis zur Antike zum Gegenstand
unsrer Betrachtung machen, so nehmen wir ihn hier nicht als Einzel-
erscheinung. Er ist für uns der Vertreter einer Epoche. Wenn er ein-
mal vom Dichter als unerläßliche Leistung »die Synthese des Inhalts
seiner Zeit« fordert, so hat er selbst diese Aufgabe erfüllt. Er hat die
»Summe einer Epoche« gezogen. Das Weltgefühl einer bestimmten
Zeitspanne ist restlos in ihm zum Ausdruck gelangt. In diesem Sinne
möchten wir sein Verhältnis zur Antike untersuchen, um in diesem
ewigen Spiegel das Wesen der Zeit zu erkennen, die er verkörpert.

Wir schließen aus unsrer Untersuchung Hofmannsthals theoretische
Bemerkungen über die Antike aus. In ihnen ist keine andre Einheit als
die eines geschmackvollen Kenners. Der Standpunkt des Betrachtens
wechselt je nach dem Objekt des Betrachteten. Es wird keine einheitliche
Idee von Griechentum aufgestellt, sondern andere Worte charakterisieren
die Tragödie der klassischen Zeit, andere späte Gedichte der Anthologie.
Und wenn — wie in der Vorrede zu Ludwig von Hofmanns »Tänzen« —
eine Definition von griechischer Wesenheit versucht wird, so muß man
sich hüten, diese als bindend für den Verfasser zu betrachten. Denn
auch hier gewinnt er eben diese Darlegung griechischen Wesens aus
der Eigenart seines Objekts, durch das Medium dieser deutschen Maler-
seele hindurch. Wenn er hier griechische Wesenheit bezeichnet als »eine
Wollust des Daseins, der ihre Schwere genommen ist« oder wenn er
im »Gespräch über Gedichte« die plastische Formung antiker Gedichte,
die dem Bilden getriebener Gefäße verwandt ist, einer Dichtung der
»Sehnenden, Schweifenden« entgegenhält, so haben wir es hier zu tun
 
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