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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0084
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80 BESPRECHUNGEN.

der psychologischen Ästhetik eingestellt. Der Darstellung fehlt ein aus dem Gegen-
stand selber geschöpftes Prinzip. Man hat, wenn man das Buch weglegt, wohl
einen Überblick über die Bestrebungen der psychologischen Ästhetik erhalten, aber
doch kein klares Bild von ihr. Warum sich Moos auf die Gegenwart beschränkt,
ist nicht ganz verständlich. Der Raum, der zur Verfügung stand, wäre für eine
Darstellung der empirischen Ästhetik seit Fechner ausreichend gewesen. Eine die
wesentlichen Gesichtspunkte dieser Ästhetik herausarbeitende Darstellung hätte ein
für die jetzige Lage der Philosophie notwendiges Buch ergeben. In der Gestalt,
wie es uns vorliegt, widerspricht Moos' Buch dem Grundsatz der Ökonomie in der
Wissenschaft, die uns im gegenwärtigen Augenblick so not tut.

Das Prinzip, von dem aus Moos die psychologische Ästhetik kritisiert, ist das
des konkreten Idealismus. So sehr nun diese Stellung wesentlichen Bestrebungen
der Philosophie der Gegenwart entspricht, muß doch der Finger auf den Mangel
an Unterscheidung gelegt werden, der auch sonst bei Moos stört, und der sich in
der Hauptfrage vor allem durch die kritiklose Zusammenstellung von Hegel und
E. v. Hartmann dokumentiert. Wenn die Ästhetik zum konkreten Idealismus zurück-
kehren sollte, so wird ihr auf diesem Wege wohl Hegel zum Führer werden können,
aber niemals auch nur in entfernteren Graden E. v. Hartmann (dessen historische
Verdienste um die Ästhetik keineswegs übersehen werden sollen). Wenn der kon-
krete Idealismus in die wissenschaftliche Ästhetik einziehen soll, so muß er kritisch
neu geschaffen werden, er ist nicht einfach von »Hegel und Hartmann« zu über-
nehmen. In der bloßen »metaphysischen« Einstellung liegt an sich noch kein Wert.
Es kommt auf die Art der Begründung an, und wer hierin den Unterschied zwischen
Hegel und E. v. Hartmann nicht als fundamental erkennt, dessen Metaphysik wird
der wissenschaftlichen Kritik kaum standhalten können.

Mit uneingeschränkter Zustimmung darf man begrüßen, was Moos über das
Verhältnis der psychologischen Ästhetik der Vergangenheit (wie man wohl besser
statt Gegenwart sagte) zur idealistischen bemerkt. Die psychologische Ästhetik habe
Leistungen geringschätzig behandelt, die sie in ihrer Tragweite gar nicht kannte.
Hätte sie sich mit der Geschichte der Wissenschaft, die von Grund aus umzugestalten
ihre Absicht war, eingehender beschäftigt, so wäre ihr der Irrtum vielleicht erspart
geblieben. »Soweit die genannten Theorien im bewußten Gegensatz zur Philo-
sophie des Schönen und im ausdrücklichen Kampfe gegen sie prinzipiell neues zu
bringen und die Ästhetik als Wissenschaft erst wirklich zu begründen glauben, be-
ruhen sie auf Irrtum und Selbsttäuschung. Soweit sie aber Positives bieten und
dadurch Daseinsberechtigung gewinnen, übernehmen sie mehr oder weniger un-
freiwillig Errungenschaften gerade derjenigen Auffassungen, die sie bekämpfen. —
Eine seltsame Wendung in der geschichtlichen Entwicklung der Ästhetik und die
edelste Rache des in seiner beherrschenden Kraft verkannten idealistischen Prinzips«
(477 u. 472). In diesen, leider vereinzelten, Sätzen ist das Programm eines Werkes
angedeutet, das Moos hätte schreiben können, aber nicht geschrieben hat.

Eingehend dargestellt werden folgende neuere Ästhetiker: Groos, Müller-Freien-
fels (die biologisch-sensualistische Ästhetik), Külpe (die Assoziationsästhetik), Witasek
(der abstrakte Psychologismus), Lipps (die Einfühlungsästhetik), Dessoir (der ästhe-
tische Skeptizismus), Lange (die Illusionsästhetik), Meumann, Volkelt (die Selbst-
aufhebung der psychologischen Ästhetik). Summarisch werden in einem Abschnitt
über die »Lehre vom Schönen in der allgemeinen Psychologie« behandelt: Höfler,
Wundt, H. Maier, Ebbinghaus, Dürr, Höffding, Ziehen, Baldwin. Die Kritik be-
schränkt sich auf kurze Bemerkungen. Neues bringt Moos nicht vor. Seine Absicht
ist nur »kritische Sichtung«. Ich hebe die gute Darstellung Külpes hervor, die frei-
 
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