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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0189
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BESPRECHUNGEN. 185

hat eben sehr viele Zufahrtsstraßen. Das erste Bändchen handelt vom Erklären von
Kunstwerken. Geschrieben ist es von Wölfflin. Ganz sein Standpunkt, ganz die ihn
auszeichnende geprägte Form: »Es ist durchaus nicht natürlich, daß jeder sieht, was
da ist« (S. 3). Er will, »wenigstens einleitend, daran erinnern, was für Aufgaben
eine systematische Formerklärung einschließt« (S. 4). Wölfflin ist aber nicht acht-
los an der Kritik der letzten Jahre vorübergegangen: »... Kunst nicht in irgend-
einem Allgemeinen — nenne man es Stil oder wie immer — in Erscheinung tritt,
sondern nur im einzelnen Werk« (S. 29). Und in der einzelnen Persönlichkeit und
durch sie (S. 26 [1]). Den Satz: »Man kann die Form nicht beschreiben, ohne schon
Qualitätsurteile mit einfließen zu lassen« (S. 22), hörte man früher auch nicht so
formuliert.

Ein paar Einzelheiten: Ob Pachers Hochaltar von St. Wolfgang wirklich ein in
Stoff und Stimmung fast unberührter Rest aus einer »versunkenen Welt« ist? (S. 3).
Den Weggang Leibls von München erklärt Waldmann — anders als in seinem
größeren Leibl-Werk — aus den »unerfreulichen Kunstverhältnissen der Stadt« und
aus dem »Neid der Kollegen«. Auch mit Leibls Biographen Mayr (Wilhelm Leibl
19193, S. 41) ist er dabei nicht ganz im Einklang. Unter »Literatur« vermisse ich
Max Creutzer, Wilhelm Leibl. Köln, Rheinland-Verlag 1920.

Die buchtechnische Ausstattung der Bändchen (Druck, Einband) verdient An-
erkennung. Die Abbildungen sind Ätzungen.

München. Georg Schwaiger.

Fischer, Theodor, Sechs Vorträge über Stadtbaukunst. München,
R. Oldenbourg 1920. S. 93 mit 21 Abbildungen.

Der Verfasser übergab die Vorträge, die für Hochschulkurse im Felde nieder-
geschrieben worden sind, unverändert der Öffentlichkeit. Das ist zu begrüßen. Sie
haben dadurch eine wohltuende persönliche, etwas herbe Frische. Es spricht aus
ihnen die lebendige Erfahrung dessen, für den die Kunst Tat und Werk, nicht Ge-
nuß, Studium und Buch ist. Der Verfasser heißt es »die Anschauung eines Rea-
listen« (S. 6). Er will nicht ästhetische Gesetze des Städtebaues aufstellen (S. 5). Er
entwickelt »Form und Gestalt aus dem breiten Grund der realen Voraussetzungen«:
aus den wirtschaftlichen, technischen und landschaftlichen Gegebenheiten zusammen
mit der Entwicklung. Sie stellt er an die Stelle einer idealistischen Grundanschauung.
Und als die realen Voraussetzungen gelten ihm das Wohnbedürfnis, der Verkehr,
der Zusammenhang mit der Natur und ihren Elementen. Zu diesen realen Faktoren
tritt vor allem ein formales Gesetz, das Gesetz, »daß keine Wirkung zu erreichen
ist, wenn nicht unter mehreren gegebenen Größen eine herrscht, die anderen dienen«
(S. 15). Die Vorträge bergen eine Fülle gesetzmäßiger Erkenntnisse, die sich an antike
und an mittelalterliche Stadtanlagen anlehnen; z. B.: »Alles was die Natur liefert, soll
nicht verwischt, sondern ausgebildet, gesteigert werden.« Damit ist die Kontrastwir-
kung nicht schlechthin ausgeschaltet. »Ohne ihn ist überhaupt kaum eine künstlerische

Wirkung zu denken-----Aber nicht die Aufstellung des Kontrastes an sich ist Kunst,

sondern die Bewältigung alles Kontrastierenden zur Einheit____« Von der Akropolis

in Athen liest Fischer das andere Gesetz ab, daß die ähnliche Form ein dem Kontrast
koordiniertes Kunstmittel ist (S. 80 f.). Vom Mittelalter und seinen Bauten rühmt
er: »... ein Volk, reich an individueller Verschiedenheit, aber taktvoll genug, diese
Verschiedenheit nicht aufdringlich darzustellen; selbstbewußt und frei einer neben
dem andern, alle zusammen aber im Banne einer großen Idee« (S. 85). Demgegen-
über im modernen Stadtteil »eine zerrissene, hart sich bedrängende Masse, jedes
 
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