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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0205
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BESPRECHUNGEN. 201

des 16. Jahrhunderts würdigt er vor allem die fortschreitende Einbeziehung des
Körpers sowohl in die Bildtafel wie in die Bildnisbüste. Anschließend wird das
Denkmal einschließlich des Reiterbildes in gedrängter Überschau der Kunstwerke ab-
gehandelt, die wieder sehr fruchtbare kunstgeschichtliche Aufschlüsse bietet, be-
sonders über die Nachwirkung der Statue des Marc Aurel, in der das Mittelalter
den christlichen Kaiser Konstantin erblickte, für die Entwicklung der künstlerischen
Lösungen der Aufgabe aber kaum neue Ergebnisse abwirft. Daß die Porträtauf-
fassung der Renaissance lange an der äußeren Erscheinung haftet und sich erst im
Cinquecento allmählich vertieft — auch in das Lächeln der Mona Lisa ist gewiß zu
viel hineingedeutet worden — werden wir im allgemeinen anerkennen dürfen, ohne
doch die Feinheiten der Charakteristik durch das leise Mienenspiel bei einem Desi-
derio oder Rossellino zu verkennen. In der Abnahme dieses schlichten Naturalis-
mus aber spiegelt sich die allgemeine Verschiebung des Grundverhältnisses der
Kunst zur Natur (s. o.).

Mit Lüthgens Untersuchung berührt sich am engsten das III. Kapitel über den
»Raum und seine Erfüllung«. Indem er Plastik und Raumvorstellung (bzw. -an-
schauung) in ihrer Entfaltung als Gegenwerte in großzügigem Überblick der abend-
ländischen Kunstentwicklung verfolgt, erbringt Landsberger hier wirklich den oben
geforderten Nachweis einer sich in ihr verwirklichenden inneren Gesetzmäßigkeit
und damit ihrer stilgeschichtlichen Einheitlichkeit. Ergänzend möchte ich nur hin-
zufügen, daß die von ihm festgestellte Abwendung der christlichen Spätantike von
der plastischen Anschaungsweise des Altertums sich eben durch die Kreuzung mit
der rein flächenhaften zeichnerischen Auffassung der germanischen Völker vollendet,
während der byzantinische Osten in seinem malerischen Flächenstil eine fiktive
Körperhaftigkeit der Gestalt und demgemäß auch eine gewisse Raumillusion bewahrt
und im hohen Mittelalter sogar steigert. Die treibende Kraft der Entwicklung er-
kennt auch Landsberger offenbar in der erstarkenden plastischen Sehvorsteliung. Der
italienischen Kunst des Ducento und Trecento gebührt das Verdienst um die Los-
lösung der Figur, mit der schon der romanische Stil die Fläche zu schmücken liebt, von
dieser. Ihre Verselbständigung dürfen wir jedoch schwerlich mit Rintelen Giovanni
Pisano als persönliche Errungenschaft gutschreiben. In ihrer Verräumlichung bis zur
figura serpentinata Michelangelos erkennt Landsberger mit klarem Blicke im Gegen-
satz zu Lüthgen, die Hegemonie der plastischen Anschauungsweise im Quattrocento.
Daß die Malerei ihrer befruchtenden Einwirkung das Verlangen nach Rundung der
Figuren verdankt, das schon in Masaccios Werken seine Erfüllung findet und noch
für Leonardo die höchste Forderung bleibt, steht außer Frage. Wie sie dieselbe
andrerseits zur Überwindung des Flächenzwanges und zur fortschreitenden Erobe-
rung des Tiefenraumes drängt, zeigt Landsberger in lichtvoller Zusammenfassung
der neueren Forschungen über die Entwicklung der malerischen Raumperspektive.
Daraus erhellt, daß die Erfindung der Zentralperspektive durch Brunelleschi nur die
Vereinheitlichung der Errungenschaften des Ducento und des Trecento auf Grund
des aus der antiken Wissenschaft abgeleiteten mathematischen Gesetzes vom ge-
meinsamen Fluchtpunkt bedeutet, aus dem sich dann der Aufbau der Bühne in
mehreren mit der Bildfläche parallelen Raumschichten als normale und ästhetisch
am meisten befriedigende Lösung ergibt. Mit feinem Verständnis erörtert Lands-
berger dann die von der Renaissance gelegentlich geübte Verrückung des Blick-
punktes aus der Mitte und seine Vervielfältigung, mit der im 16. Jahrhundert die
Befreiung vom festen Standpunkt des Beschauers Hand in Hand geht, sowie die
Höher- und Tieferlegung des Horizonts und schließlich die Ausbildung der Unter-
sicht in den Gewölbfresken von den Anfängen bei Melozzo und Mantegna bis zum
 
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