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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0281
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BESPRECHUNGEN. 277

Schumacher, Fritz, Grundlagen der Baukunst. Studien zum Beruf des

Architekten. München, G. D. W. Callwey (1916). S. 194.
Schumacher, Fritz, Die Reform der kunsttechnischen Erziehung.
Deutscher Ausschuß für Erziehung und Unterricht. Heft 3. Leipzig, Quelle
u. Meyer 1918. S. VI u. 70.
1. Recht gegen Willen komme ich jetzt erst dazu, die beiden Schriften von Schu-
macher zu besprechen. Doch: was gut ist, veraltet nicht.

Die erstgenannte Schrift mit dem Untertitel »Studien zum Beruf des Architekten«
ist noch während des Krieges entstanden. Auf dem Vorwort liegt die Stimmung
des Krieges. Aber mit einer solchen sachlichen Besonnenheit, daß die aufgestellten
Gesichtspunkte auch noch nach 1918 gelten. »Für die kommende Zeit gibt es nur
eine Gefahr, die Gefahr der gleichsam nicht ernst gemeinten Lösungen: das Pro-
visorium. Sie sind wirtschaftlich und kulturell die opfervollste Art des Bauens«
(S. 8). Ihr gegenüber tritt Schumacher für eine Bauwelt ein, die auf dem »Unter-
grund einer formalen und einer sozialen Abklärung« wächst, einer Abklärung, die
vor der Kriegskatastrophe schon eingesetzt hatte. »Die Hauptsache aber ist, daß
nicht nur die künstlerische Form, sondern auch die soziale Grundlage alles baulichen
Entfaltens ... Klärung erhoffen darf.« (Es sei das »darf« als Forderung verstanden.)
Denn: »der Punkt, an dem das Problem der heutigen ,Stadt' und damit letzten
Endes die Wirkung unserer einzelnen Kunsterrungenschaften bislang scheiterte, war
der Mangel an einer deutlich ausgeprägten sozialen Grundlage. Man kann ein Ge-
bilde, das auf die Bedürfnisse der Massen zugeschnitten sein muß, nur gestaltend
zur Durchführung bringen, wenn für die grundlegenden Forderungen dieser Mas-
sen feste geistige Formen gefunden sind« (S. 9). Wie Schumacher in diesem kul-
turellen Sinn für die Notwendigkeit geistiger Formen eintritt, so gelten ihm für
die Architektur im besonderen die »geistigen Grundlagen«, nicht die formalen, als
die letzten und unzerstörbaren (S. 7). Darum spricht er von Architektur und Be-
gabung, von Architektur und Charakter, von Architektur und Bildung, von Archi-
tektur und Nationalität, vom Reisen, vom Erfolg. Dabei schüttet er einen wahren
und lebendigen und persönlichen Reichtum von unmittelbar wertvollen Ideen aus.
Die formal-ästhetischen Werte kommen in keiner Weise zu kurz, ob nun vom Cha-
rakter aus die konstruktiven Forderungen hinsichtlich der Technik und des Materials
aufgestellt und die rhythmischen Werte der Gestaltung der Masse, der Verteilung
von Licht und Schatten usw. betont werden, oder ob vom Entwerfen und vom Stil
und Stilisieren die Rede ist. Besonders reich an formalen Erkenntnissen ist natur-
gemäß der Abschnitt vom Stilisieren mit dem Hauptsatz: »Die ganze Architektur
ist letzten Endes nichts anderes als die stilisierte Form, in der natürliche Kräfte zum
Ausdruck kommen. Je mehr ich dieses Stilisieren hervorhebe durch das Entfalten
der dynamischen und symbolischen Ausdrucksformen der Architektur, umso mehr
nähere ich mich, gerade wie bei dem gleichen Vorgang in Dichtung und Malerei,
dem Monumentalen« (S. 134). Doch will mir scheinen, daß sich gerade an dieses
Kapitel vom Stil und Stilisieren am ehesten Fragen anheften. Wenn es z. B. heißt:
»Letzten Endes kommen wir zu dem Schluß, daß das Wesen alles künstlerischen
Gestaltens auf der Art und Weise beruht, wie stilisiert wird« (S. 132), so verliert
eben doch der schwierige Begriff in dieser Wesensbestimmung alle Schärfe. Und
dann wird der Verfasser selbst erst durch das Moment der dekorativen Form auf
den Stilbegriff geführt (S. 121). Hierin vermisse ich für jeden Fall die innere Ab-
folge. Ob es nicht von Vorteil wäre, eben doch nicht schon an den Anfang des
künstlerischen Umformungsprozesses den Begriff des Stilisierens zu setzen, ihn viel-
mehr dem Abschluß vorzubehalten, der Ausprägung der Form? Sonst muß der Be-
 
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