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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0283
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BESPRECHUNGEN. 279

ja auf diesem Acker, nichts darf auf ihm verloren gehen« (S. 46). So schrieb Schu-
macher schon 1917. Die große sittliche Gesinnung, mit der sich eine wohltuende
pädagogische Einsicht verbindet, die an Alfred Lichtwark erinnert (S. 21 f., 24 ff.,
40, 45), dazu die überlegene Logik, die nichts an sich hat von verbaler Dialektik
(S. 61 f., 65, 13, 15, 47), lassen Schumacher, der zudem selbst schon im Lehrberuf
stand und jetzt »inmitten der praktischen Arbeit« sehen kann, »wo im eigenen Fach
die Schwächen liegen, die sich aus der Bearbeitung des Menschenmaterials ergeben«,
wirklich zum Reformator berufen erscheinen, zum Reformator, um den man, die
Architekten werden wollen, beneiden möchte.

Die Schrift wird, wenn und wo die große Frage der Neugestaltung der »kunst-
iechnischen Erziehung« in Angriff genommen wird, reichlich zu Rate gezogen werden
müssen. Der Verfasser bleibt sich bewußt, daß ein Einzelner die zahlreichen Fragen,
die bei jedem Änderungsversuch an den Grundsätzen eines altgefügten Erziehungs-
plans auftauchen, niemals zu erledigen vermag (S. V). Aber er darf es für sich in
Anspruch nehmen, »erst einmal einen bestimmt umrissenen Gesichtspunkt« aufge-
stellt zu haben. Dieser Gesichtspunkt ist der der Hemmungen des Aufstieges und
der rechten Verteilung der besonders gestaltend Begabten. Und die Hemmungen
sind Hemmungen durch Fragen der Berechtigung, in der Vorbildung, in der Organi-
sation des Studiums, in der Organisation des Examens, Hemmungen endlich durch
die Abgrenzung unserer Erziehungsanstalten.

Schumacher deckt die Hemmungen mit logischer Klarheit auf. Er bleibt aber
nicht negativ kritisch. Er macht zu ihrer Überwindung Vorschläge, die sich durch
positive Bestimmtheit auszeichnen, ob es sich nun handelt um die Umgestaltung des
Diplomexamens (S. 18, 24, 41, 44), um die Überwindung der Überfüllung und der
Starrheit des Lehrprogramms (S. 30) mit der Probefrage: Wie kann man im Pro-
gramm der Hochschule Zeit gewinnen? (S. 32ff.), oder um die Idee einer Zusammen-
fassung aller Gebiete des Gestaltens, die durch die Begriffe Bauingenieur, Architekt,
Kunstgewerbler und freier Künstler bezeichnet werden zu einem neuen Gesamt-
begriff (S. 64), real gesprochen: um die Herstellung einer engeren Fühlung zwischen
den verschiedenen Gebieten künstlerischen Gestaltens (S. 65), noch realer: um die
Schaffung einer Hochschule des kunsttechnischen Gestaltens als selbständigen Ge-
bildes oder als Bestandteiles der Technischen Hochschule (S. 65; z. v. 56).

An einzelnem, das nach der kunstwissenschaftlichen Seite zu liegt, seien her-
vorgehoben die Betonung der »Kreuzung von Kunst und Technik« im Beruf des
Architekten (S. 4) und die besondere Bewertung der organisatorisch- und sozial-
gestaltenden Seite (S. 9) mit ihren Aufgaben: Städtebau (S. 31, 42, 43), »der sicht-
bare Niederschlag der Verbindung von architektonischen und volkswirtschaftlichen
Fragen«, Siedlungswesen (S. 43), dessen überragende und entscheidende Wichtigkeit
für die architektonische Kultur unserer Zeit immer deutlicher wird, ländliche Bau-
kunst (S. 42, 40), Kleinhausbauten, Fabrikbau (ebenda). »Die allergrößten architek-
tonischen Aufgaben erwachsen im Rahmen der Verwaltung.« Die Konsequenzen
für die Vorbildung ergeben sich von selbst. Nach der technischen Seite hin betont
Schumacher besonders die Notwendigkeit, die Verbindung des Architekten mit dem
Bauingenieur voll zu erhalten (S. 56): »Nach der Richtung der Verbindung zwischen
der Welt des Architekten und der Welt des Ingenieurs liegt ein Zukunftsweg des
baukünstlerischen Berufes, der für ihn vielleicht unter allen Wegen am wichtigsten
ist.« Dann weist er auf das ästhetische Neuland der Gebilde der Technik mit feinen
Bemerkungen hin (S. 58 ff.).

Auch einem alten Gebiet stellt Schumacher eine neue Aufgabe, der Kunstge-
schichte für Architekten: er fordert eine Architekturgeschichte aus dem Geist des
 
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