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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0286
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282 BESPRECHUNGEN.

Rhythmus sich abwandeln und in sich vollenden zu lassen. Dazu aber kommt vor
allem: jedes Kunstwerk hat etwas Welthaft-Geschlossenes in sich und es steht
(wenigstens häufig, wenn auch nicht immer) zugleich so vor uns, wie es sein Meister
als »fertig« aus den Händen gegeben hat — was man von den fragmentarisch über-
lieferten Monumenten des wissenschaftlichen, rechtlichen, religiösen, staatlichen
Lebens vergangener Zeiten nicht sagen kann, weil wir einmal nicht so unmittelbar
in Verbindung mit ihnen treten können und weil sie außerdem noch beständig über
sich selber derart hinausweisen, daß jedes solches Überlieferungs»stück« offenbar
erst von einem welthaft-geschlossenen Zusammenhang aus verstanden werden kann,
den die Summe aller dieser »Stücke« selber noch nicht ausmacht. Weil deshalb
das Kunstwerk kein »Einzelnes« ist, sondern vielmehr von vornherein ein »Ganzes«,
ein Mikrokosmos, ein weltartig in sich geschlossenes Gebilde — darum (so scheint
es!) muß es von vornherein in einer ganz anderen Verbindung stehen mit »Welt
überhaupt«; es wird die »Weltsituation*, der es entsprungen ist, irgendwie sym-
bolisch widerspiegeln, insofern es als ein »Ganzes« aus einem augenblicklichen
»Weltganzen« heraus geboren und formverfestigt wurde in einer Weise, die wohl
geeignet ist die paradiesisch-heiteren oder maskenartig-erstarrten oder weltschmerz-
lich-zerrissenen oder schnörkelhaft-übergescheiten Züge des augenblicklichen »Welten-
antlitzes« künftigen Zeiten, die sich auf »Physiognomik« verstehen, zu übermitteln.
Auf die logischen Schwierigkeiten, die der kritischen Darstellung der »Metaphysi-
schen Anfangsgründe einer Geschichtswissenschaft« im Sinne einer solchen
»allgemeinen Physiognomik« (Spengler S. 135 ff.) vielleicht begegnen, gehe ich nicht
ein. Es handelt sich nur darum, wenigstens anzudeuten, daß im Material der
Kunstgeschichte Momente stecken, die eine geschichtsphilosophische Spekulation
begünstigen müssen, weshalb eine wahrhaft umfassende Geschichtslogik ent-
weder einen Rationalismus proklamieren muß (wie Hegel), dessen Panlogik sich
dann auch auf die Kunstwelt ausdehnt und die Kunstwerke als das Produkt des-
selben vernünftigen Geistes begreift, dem auch die Gebilde der Wissenschaft und
der Religion entstammen — oder aber die Möglichkeit eines der theoretischen Ver-
gegenständlichung gegenüber heteroformen »Materials« berücksichtigen muß, das
mit logischen Mitteln nur vom Standpunkt eines die theoretische wie die atheore-
tische Welt in gleicher Weise umfassenden philosophischen Systemes aus
noch weiter zerlegt werden kann. Im ersten Fall wird die Geschichtsphilosophie
mit der Ästhetik zusammengearbeitet und es entsteht ein höchst komplexes Gebilde,
das den Logiker, für den Erkennen Trennen bedeutet, nicht befriedigen kann. Im
zweiten Falle hingegen arbeitet die Geschichtsphilosophie mit der Ästhetik zusammen;
sie berücksichtigt deren Ergebnisse und darf zuletzt vielleicht hoffen, dem verwickelten
Problem einer »Methodologie der Kunstgeschichte« gerecht zu werden, wobei es
sich um eine logische Einleitung in die historische Wissenschaft von etwas
Außerwissenschaftlichem handelt, das dem »heterogenen Kontinuum« (wie
Rickert das logische Anteomne bezeichnet, auf das die Analyse sowohl der histo-
rischen wie der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung letzten Endes stößt) gegen-
über etwas bereits Geformtes, und zwar etwas auf eine gänzlich atheoretische Weise
Geformtes darstellt. Die ästhetische Analyse dieser atheoretischen (künstlerischen)
»Gegenstände« selbst, die dem Historiker »materialhaft« gegeben sind, muß freilich
gleichzeitig von dem die Ästhetik in sich befassenden Standpunkt des philosophischen
Systemes aus betrieben werden; denn erst sie wird ja eben über die Eigenart und
den ganz besonderen (einer »physiognomischen« Geschichtsphilosophie merkwürdig
entgegenkommenden) Charakter eben dieses »Materials« etwas ausmachen können,
mit dem der Historiker schaltet und waltet, der in seiner Eigenschaft als Kunst-
 
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