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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0292
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288 BESPRECHUNGEN.

■wird. Wenn der Verfasser hier auch die hohe Bedeutung des Werkes für die Ge-
schichte der spätmittelalterlichen Kunst und »die italienische Sprachgeschichte« an-
erkennt, so wiederholt er doch die herkömmliche Ansicht, daß es nur »das Hand-
werksmäßige der malerischen Technik auf empirischer Grundlage« biete. Allerdings
ist Cenninis Lehrgang noch nicht auf der perspektivischen Theorie aufgebaut, aber
er ist nicht nur von dem neuen Geist der Naturnachahmung schon sehr fühlbar
berührt, sondern enthält auch schon die künstlerischen Grundbegriffe der Früh-
renaissance und beweist, daß ihr sprachlicher Ausdruck zum Teil bereits im M.Jahr-
hundert geprägt worden ist. Zwar läßt Cennini die »moderne« Kunst mit Giotto
beginnen und eines Gegensatzes zum Trecento ist er als Sprößling der Gaddischule
sich nicht bewußt, aber die Anweisung, das Zeichnen nach dem naturale täglich zu
üben, atmet schon den neuen Geist der nahenden Frührenaissance. Noch wichtiger
aber erscheint sein Wortgebrauch und der darin enthaltene Sinn. So hat er schon
den Begriff des disegno in der Bedeutung der inneren vorgestellten Form. Dazu
kommt schon das rilievo, als wichtigste der Malerei gestellte Forderung, wie bei
Alberti. Er spricht auch bereits von dem chiaroscuro und von sfumare, wenn diese mal-
technischen Ausdrücke auch erst in der Folge bei Lionardo ihren vollen Sinn gewinnen.
Diese Tatsachen verdienten Beachtung, zumal sie zum Teil schon von J. Schlosser
in den Materialien zur Quellenkunde der Kunstgeschichte I (1914) hervorgehoben
worden sind. In der Kunst bedeutet die 2. Hälfte des Trecento keineswegs Er-
starrung in der Wiederholung der giottesken Schablone, wie die Kunstforschung
früher glaubte und der Verf. noch immer glaubt. Sie hat vielmehr wichtige Vorarbeit
für das Quattrocento geleistet, und wie Cennini beweist, auch für den sprachlichen
Ausdruck der Theorie. Wächst doch der wissenschaftliche Dilettantismus, der die
Erneuerung des naturphilosophischen selbständigen Denkens bringt, wie Olschki
selbst zeigt, aus diesen Schichten des Handwerks heraus. Cenninis Traktat muß
aber in den Werkstätten früh Verbreitung gewonnen und als Lehrbuch die Rede-
weise der Künstler beeinflußt haben, da noch Vasari eine Abschrift desselben bei einem
Goldschmied in Siena vorfand.

Der Kreis der fortschrittlich Gesinnten, in dem die neue Kunsttheorie geboren
wurde, sammelte sich um die geniale Persönlichkeit des Filippo Brunelleschi in
den 20er Jahren. Die im Mittelalter von dem handwerklichen Künstler (artigtano)
geforderte Universalität führt zu der zuerst von ihm vollzogenen Verknüpfung eigner
Beobachtung und Erfahrung mit der von der Antike überkommenen mathematischen
Optik und zu deren Fortbildung, und schafft damit die gemeinsame (geometrische)
wissenschaftliche Grundlage für die arti del disegno, im Verkehr mit Toscanelli und
anderen Mathematikern seiner Zeit. Durch die von Euklid, Vitellio und anderen
abgeleitete Theorie der Prospettiva wird die Anwendung der mathematischen Ab-
straktion auf technische, architektonische und andere künstlerische Aufgaben ermög-
licht. Daß uns Brunelleschis Traktate nicht erhalten sind, hat die Geschichte der
Wissenschaft als schweren Verlust zu beklagen. Doch ist seine Lehre wohl nahezu
vollständig in das neue System der Künste eingegangen, das Leone Batt. Alberti
als sein Geisteserbe einerseits und erster humanistisch gebildeter Künstler der Renais-
sance andrerseits aufstellt. An der eingehenden Würdigung, die Olschki ihm als
dem vielseitigsten und bedeutendsten Vertreter der technischen und mathematischen
Wissenschaften der Renaissance im 1. Hauptabschnitt des Bandes widmet, wird man
wenig auszusetzen haben, wenngleich der innere Zusammenhang seiner Gedanken-
welt mit seinen antiken Quellen durch die etwas früher erschienene und hier noch
nicht benutzte Arbeit von P. Flemming, Die Begründung der modernen Ästhetik
und Kunstwissenschaft durch Leone Batt. Alberti (Leipzig 1916) noch mehr aufge-
 
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