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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0434
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430 BESPRECHUNGEN.

drücken soll, erst durch den Zusammenhang des Ganzen kenntlich. Dieser kann
nun entweder allen Angehörigen des Sprachverbandes, kann aber auch nur einzelnen,
mit der Denk- und Sprechweise des Redenden Vertrauten, ohne weiteres verständ-
lich sein; er kann weiterhin auf dem Wege des Erlernens anderen mitgeteilt werden,
die vielleicht Grund- und Deckvorstellung miteinander gleichsetzen, ohne das eigent-
liche Tertium noch zu verstehen. Aber die Metapher wirkt nicht mit der unmittel-
baren Überzeugungskraft des Symboles. Wir werden uns der »Unangemessenheit«:
der beiden Begriffe bewußter, der Reiz des Spiels zwischen beiden Polen wächst
bis zu einer Schwelle, wo er vielleicht in ein peinliches Gefühl umschlägt (»gesuchte
Metaphern«), das sich aber auch wieder in fröhlichem Gelächter entladen kann (»die
komische Metapher«). Auf alle Fälle handelt es sich um ein derart komplexes Phä-
nomen, daß sein Ursprung wohl in einer besonderen Kulturlage und in gewissen,
dadurch hervorgerufenen Bedürfnissen gesucht werden muß. Die Sprache wirkt hier
nicht mehr als unmittelbarer Ausdruck des Gefühls und des gefühlsbetonten Schauens,
sondern als Verständigungsmittel, das einen starken Aufwand intellektueller Arbeit
voraussetzt. Einen Schritt weiter und wir gelangen zur Allegorie, zum Begriffsspiel.
So ist es verständlich, daß der Sprachmetapher eine Dingmetapher »vorausgeht«,
die etwa zwei optische Eindrücke in derselben Weise miteinander verbindet, wie
die Wortmetapher z. B. einen Gesichtsausdruck mit dem Schall und dem »Wortleib«
eines sprachlichen Gebildes. Wie der Mensch auf die Möglichkeit der Metapher
gekommen sei, ist eine Frage, die vor allem der Ethnologe und der Völker- und
Kindespsychologe zu beantworten haben. Die weitausgreifende und tiefbohrende
Arbeit von Heinz Werner scheut diesen Umweg nicht und verfolgt auch weiterhin
die erste Verwendung der Metapher zu praktisch-magischen Zwecken, aus der sich
der rein spielende, künstlerische Gebrauch entwickelte, wobei wir doch aber noch
oft genug (wie es z. B. auch bei Sprichwort, Rätsel und Fabel der Fall ist) an die
ursprünglich außerkünstlerische Bestimmung der »Übertragung« erinnert werden.
Der willkürlichen Verwechslung zweier Vorstellungen (der bewußt fiktiven, »echten«
Metapher) geht also eine unwillkürliche (»Pseudometapher«) voraus, die sich bereits
auf rein motorischem Gebiete äußert, wenn ein Kind auf Flaschen verschiedenster
Form mit der Gebärde des Saugens antwortet: hierher gehören weiter Vorgänge
der emotionalen Geistesstufe, wo Erlebnis und Symptom verwechselt werden, und
endlich solche der anschaulich-begrifflichen Stufe, wo etwa eine neue Vorstellung
einer bekannten als ihrem Oberbegriff untergeordnet und dann durch ein kennzeich-
nendes Beiwort davon abgehoben wird (wie denn z. B. der Eweneger die Brille
ein »eisernes Auge« nennt). Das alles sind unwillkürliche Vorübungen für die bewußte
metaphorische Betätigung, die für einzelne Fälle Übertragungen schafft; diese können
einem größeren oder kleineren Kreise verständlich sein und vielleicht, je weiter ihre
Verbreitung wird, umso leichter ihren eigentümlichen Ausdruckswert verlieren. Immer
besteht dabei eine Spannung zwischen Sinn und Bezeichnung, immer will das Wort
zu gleicher Zeit andeuten und verhüllen, was Werner eindrucksvoll erläutert.
Auch hier können wir uns eine ganze Reihe von Zwischenstufen denken, die sich
im praktischen Leben sozusagen zwangsläufig einstellten: ein Versteck oder ein ver-
borgener Gegenstand, an dem nur wenige teilhaben sollen, wird frühzeitig mit einem
Decknamen versehen worden sein, doch traten diese mehr vereinzelten und gelegent-
lichen Anwendungen der willkürlichen Verwechslungen weit zurück, sobald (gewiß
an den verschiedensten Orten der Erde unabhängig voneinander) die neue geistige
Errungenschaft als Waffe im Kampf ums Dasein gegen die dämonischen Kräfte ver-
wendet wurde, mit denen die Luft rings um den »Wilden« her gleichsam geladen
ist. Die bewußte Verwendung der Metapher steht also von Hause aus in engster
 
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