KANTS ANALYTIK DES SCHONEN.
3
allen zukommenden Merkmale unter einen einzigen Gesichtspunkt.
»Zweckmäßigkeit« ist auch eigentlich nicht der rechte Ausdruck für
das ihr entsprechende ästhetische Principium. Zweckmäßigkeit ist
eine praktische Kategorie und muß den Einzelbegriff »Endzweck«
ersetzen; ihr entspricht in der theoretischen Philosophie wirklich
die Gesetzmäßigkeit, in der Ästhetik aber die Ebenmäßigkeit,
oder die in ihr vielfach besprochene »Einheit in der Mannigfaltig-
keit«. Alle drei Begriffe unterstellen sich dem allgemeinen Begriff
der Wohlanordnung, dieses %öap.oc, Xöyoc, dieses r’tam der Inder,
das überall und immer den Wert einer Sache erhöht.
Ähnlich wie die Zweckmäßigkeit oder vielmehr das allgemeinere
Merkmal der Wohlanordnung, das sowohl das Zweckmäßige als auch
das Ebenmäßige umfaßt, lassen sich die beiden anderen Prinzipien
a priori, Allgemeinheit und Notwendigkeit, auch auf andere
Urteile, nicht bloß auf die ästhetischen anwenden. Ferner unterliegt
ihre strenge Gültigkeit, wie überhaupt, so auch hier, einer Kritik.
Kant selbst meinte früher: »Das Schöne gefällt aber nicht jeder-
mann notwendig, sondern die Übereinstimmung ist zufällig1).«
Allgemeinheit und Notwendigkeit der Urteile sind nur bis zu einem
bestimmten Grade möglich. Immer muß darin dem Individuum eine
gewisse Freiheit belassen werden, vor allem in Bezug auf einen be-
sonderen Anwendungsfall, wenn auch die allgemeine Grundlage, die
Gleichheit der Natur des Menschengeschlechts, ein teilweises a priori
für gewisse allgemeinere Urteile und auch für das Schöne zu schaffen
im stände ist. Diese Allgemeingültigkeit der Urteile besteht aber nur
in dem Maße, wie die Berechtigung zur Aufstellung von »Gemein-
begriffen« (xoival svvocai) der Stoa. Ein strengeres a priori gibt es
nicht. Jedenfalls ist aber die Allgemeinheit und Notwendigkeit nichts
Wesentliches für das Schöne; dieser Tatbestand bedeutet nur: das
Schöne darf in einer allgemeinen Auffassung zu den Gemein-
begriffen gezählt werden. Die Tautologie, die in der letzten Wen-
dung liegt, zeigt, glaube ich, am besten, wie wenig wichtig die zuletzt
besprochenen »Prinzipien a priori« für das Schöne sind.
Kant trennt nun auf Grund der Allgemeinheit und Notwendigkeit
das Schöne vom Angenehmen. Lotze meint dazu, daß das Urteil
über das sinnlich Angenehme wenigstens ebenso einstimmig bei vielen
sei, als die Beurteilung des Schönen, die ja sehr verschieden sei2).
1) Vorlesungen über Metaphysik (Pölitz), Schlapp 1. c. 157. In der Abhandlung
»Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und des Erhabenen« nennt Kant den
Geschmack im Verlauf der Zeiten einen »Proteus«. Ed. Kirchmann 60, Imma-
nuel Kants vermischte Schriften und Briefwechsel.
2) Grundzüge der Ästhetik 2, 6, § 4.
3
allen zukommenden Merkmale unter einen einzigen Gesichtspunkt.
»Zweckmäßigkeit« ist auch eigentlich nicht der rechte Ausdruck für
das ihr entsprechende ästhetische Principium. Zweckmäßigkeit ist
eine praktische Kategorie und muß den Einzelbegriff »Endzweck«
ersetzen; ihr entspricht in der theoretischen Philosophie wirklich
die Gesetzmäßigkeit, in der Ästhetik aber die Ebenmäßigkeit,
oder die in ihr vielfach besprochene »Einheit in der Mannigfaltig-
keit«. Alle drei Begriffe unterstellen sich dem allgemeinen Begriff
der Wohlanordnung, dieses %öap.oc, Xöyoc, dieses r’tam der Inder,
das überall und immer den Wert einer Sache erhöht.
Ähnlich wie die Zweckmäßigkeit oder vielmehr das allgemeinere
Merkmal der Wohlanordnung, das sowohl das Zweckmäßige als auch
das Ebenmäßige umfaßt, lassen sich die beiden anderen Prinzipien
a priori, Allgemeinheit und Notwendigkeit, auch auf andere
Urteile, nicht bloß auf die ästhetischen anwenden. Ferner unterliegt
ihre strenge Gültigkeit, wie überhaupt, so auch hier, einer Kritik.
Kant selbst meinte früher: »Das Schöne gefällt aber nicht jeder-
mann notwendig, sondern die Übereinstimmung ist zufällig1).«
Allgemeinheit und Notwendigkeit der Urteile sind nur bis zu einem
bestimmten Grade möglich. Immer muß darin dem Individuum eine
gewisse Freiheit belassen werden, vor allem in Bezug auf einen be-
sonderen Anwendungsfall, wenn auch die allgemeine Grundlage, die
Gleichheit der Natur des Menschengeschlechts, ein teilweises a priori
für gewisse allgemeinere Urteile und auch für das Schöne zu schaffen
im stände ist. Diese Allgemeingültigkeit der Urteile besteht aber nur
in dem Maße, wie die Berechtigung zur Aufstellung von »Gemein-
begriffen« (xoival svvocai) der Stoa. Ein strengeres a priori gibt es
nicht. Jedenfalls ist aber die Allgemeinheit und Notwendigkeit nichts
Wesentliches für das Schöne; dieser Tatbestand bedeutet nur: das
Schöne darf in einer allgemeinen Auffassung zu den Gemein-
begriffen gezählt werden. Die Tautologie, die in der letzten Wen-
dung liegt, zeigt, glaube ich, am besten, wie wenig wichtig die zuletzt
besprochenen »Prinzipien a priori« für das Schöne sind.
Kant trennt nun auf Grund der Allgemeinheit und Notwendigkeit
das Schöne vom Angenehmen. Lotze meint dazu, daß das Urteil
über das sinnlich Angenehme wenigstens ebenso einstimmig bei vielen
sei, als die Beurteilung des Schönen, die ja sehr verschieden sei2).
1) Vorlesungen über Metaphysik (Pölitz), Schlapp 1. c. 157. In der Abhandlung
»Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und des Erhabenen« nennt Kant den
Geschmack im Verlauf der Zeiten einen »Proteus«. Ed. Kirchmann 60, Imma-
nuel Kants vermischte Schriften und Briefwechsel.
2) Grundzüge der Ästhetik 2, 6, § 4.