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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 4.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.3531#0473
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BESPRECHUNGEN.

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Untersuchung von Goethes Vorfahren einiges geleistet wird. Im übrigen setzt die
Familienforschung etwas voraus, was wir noch gar nicht besitzen: individuelle
Psychologie.
Berlin. Richard M. Meyer.

Bertha von Jurie, Spitzen und ihre Charakteristik. Berlin 1907, Verlag von
Bruno Cassirer, 79 S. und 35 Abbildungen.
Nachdem ich vor Jahren durch eine in Kiel veranstaltete Ausstellung einen
starken Eindruck von der Schönheit der Spitzen empfangen hatte, mußte ich manches
Mal über die Gründe dieses Eindrucks nachdenken. Andern dürfte es ähnlich er-
gehen : auch sie werden die Spitzen einer ästhetischen Betrachtung würdig finden.
Ihnen kann das vorliegende Buch empfohlen werden, weil es über die verschiedenen
Arten, ihre Eigentümlichkeiten und namentlich auch über die Technik der Herstellung
vortrefflich aufklärt. Eine große Hilfe gewähren die ausgezeichneten Abbildungen.
Berlin. Max Dessoir.

Kurt Bertels, Honore Daumier als Lithograph. München und Leipzig, Ver-
lag R. Piper & Co., 1908; »Klassische Illustratoren«, IV. Band; gr. 8°, 150 S.
u. 70 Abbildungen.
Wer die Handzeichnungen Leonardo da Vincis in der Ambrosiana zu Mailand
kennt, wird an sie erinnert, wenn er in den Lithographien Daumiers blättert. Und
noch ein zweiter großer Name fällt ein: Shakespeare, seine elementare Wucht,
Menschen und menschliche Leidenschaften zum Ausdruck zu bringen. Aber der
arme Daumier war kein Leonardo und kein Shakespeare. Ihm lächelte nicht die
Gunst der Zeit; sie knechtete ihn in zeichnerischen Journalismus, warf ihm Themen
hin und nahm sie ihm wieder, gestattete manche und verbat sich andere. Er rächte
sich und gab die Zeit wieder. Aber er gab mehr: nicht die Karrikaturen von Männern,
die uns heute gleichgültig sind, sondern das Ewige und Typische in ihnen: die
Dummheit, die Gefräßigkeit, die Niedertracht u. s. w. Und in den Mußestunden
schuf er an seinen Bildern, Werken teilweise voll ehrfurchtgebietender Gewalt.
Es sind jetzt gerade hundert Jahre seit Daumiers Geburt verstrichen. Und
dieses Jubiläumsjahr zeitigte zwei größere Daumierwerke: die umfassende Arbeit
von Erich Klossowski (München 1908) und das vorliegende Buch, das Daumier
lediglich als Lithographen würdigt. Ich freue mich, den meisten seiner Werturteile
zustimmen zu können, und glaube, daß es wohl seinen Zweck erreichen wird, dem
großen Meister neue Freunde zu werben und dem Verständnis seiner Werke ent-
gegen zu führen. Gern würde ich auch die frische, geistreiche Darstellungsweise
loben, doch kann ich dies nur unter Vorbehalt. Der witzige Stil, der bisweilen
recht treffend ist (z. B. »Chamfort meint, daß in Paris, wo ein Vergnügen das
andere jagt, vier Fünftel der Einwohner vor Kummer sterben. Daumier zeichnet
diese vier Fünftel, Guys den frechen Rest«), dafür aber auch hier und da wahre Un-
geheuer hervorbringt (z. B. »Die Horde der Bedarfskünstler hatte sich allerdings die
Etikette des Imperiums zu eigen gemacht, und schlug Kapital daraus, indem sie sie
in kleinen Mengen den kleinen Leuten verzapfte«) •— wirkt wie ein ewiges Wetter-
leuchten, das quälend ist und nervös macht. Weder ein kräftiges Gewitter, noch
ruhiger Sonnenschein! So wetterleuchtet alles hin, kaum entstanden, schon zerronnen,
weniges nimmt feste Gestalt an, das meiste bleibt daher ein wenig nebelhaft; kühne
Gedanken blitzen auf; aber es sind nur Blitze, die schnell verlöschen; und daher
kann der Kritiker nicht prüfen, ob es sich dabei um Einfälle handelt oder um
 
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