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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 6.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.3675#0132
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128 BESPRECHUNGEN.

belehren läßt. Hiernach es als ausgemacht nehmend, daß die Lust im Kunst-
genüsse aus der »Befriedigung des menschlichen Bedürfnisses« stammt, »die Einheit
in der Mannigfaltigkeit durch Harmonie der Formen zu erkennen« (S. 19), setzt er
vor allem eine doppelte Richtung fest, in der sich die Einheit geltend machen kann.
Diese Einheit kann als Übereinstimmung zwischen dem Kunstwerke und seinem
natürlichen Vorbilde — Verfasser nennt das letztere »Darstellungsinhalt« oder auch
mit Hildebrand »Daseinsform« — sich dem Beschauer aufdrängen; sie kann sich
jedoch nicht minder »auf die Art« beziehen, »wie die einzelnen Teile des Kunst-
werks zu einem ganzen verknüpft sind« (S. 19). Auf jene kommt es hauptsächlich
in der Malerei und Plastik, auf diese in der Architektur und »Zierkunst« an. So
werden vom Verfasser einerseits das Wohlgefallen an der charakteristischen Dar-
stellung und die Lust an alledem, was er mit sehr glücklicher Terminologie unter
dem Ausdruck »Komposition« zusammenfaßt, strenge geschieden und anderseits
doch wieder auf das nämliche psychologische Prinzip zurückgeführt. Es mag nun
dahingestellt bleiben, ob den imitativen Kunstwirkungen und den Effekten der Ein-
heit, welche die Teile des Kunstwerks untereinander verbindet, wirklich ganz der-
selbe psychologische Sachverhalt zugrunde liegt, ob nicht vielmehr der Reiz der
Nachahmung noch an eine Reihe von besonderen Bedingungen geknüpft, also viel
zu konkreter und komplexer Natur ist, als daß er mit der Formel: »Einheit in der
Mannigfaltigkeit« erschöpft werden könnte. Zuzugeben ist immerhin, daß aus dem
Prinzip des Verfassers wenigstens ein Teil jener Erscheinungen begreiflich wird,
welche die nähere Betrachtung der Voraussetzungen des Gefallens an imitativer
Kunst aufzeigt: — da nämlich nach diesem Prinzip die Gefühlsgrundlage zwei Mo-
mente, Einheit und Mannigfaltigkeit, enthält, so kann selbstverständlich das Lust-
gefühl nur dann erzeugt werden, wenn auch für eine ausreichende Verschiedenheit
zwischen Bild und Gegenstand gesorgt ist, und aus diesem Gesichtspunkte erklärt
denn der Verfasser die konventionellen Formen, die Wertlosigkeit einer bis zu
wahrer Täuschung getriebenen Nachahmung, die Betonung des Materials dort, wo,
wie im Naturalismus, die Unterschiede der Darstellungs- von der »Illusionsform«
auf ein Minimum reduziert erscheinen (S. 34), und dergleichen mehr. Es sind, wie
man sieht, großenteils Tatsachen, mit jenen verwandt, die schon älteren Ästhetikern,
namentlich Sulzer und Quatremere de Quincy, zu denken gegeben haben. Gerade
diese Fakta drängen aber, wie mir scheint, unweigerlich dahin, neben jenem rein
formalen Moment und als Bedingung, daß dasselbe überhaupt in Wirksamkeit tritt,
noch verschiedene andere Faktoren in Anspruch zu nehmen, durch welche somit
teils dem Geiste erst die Richtung auf das Herausfinden der »Einheit« gegeben,
teils die Lust an der wahrgenommenen »Einheit« erheblich gesteigert wird.

Einen viel leichteren Stand hat die Theorie Schubert-Solderns gegenüber dem-
jenigen ästhetischen Wohlgefallen, welches nicht durch »das Verhältnis von Daseins-
und Wirkungsform«, d. h. von Vorbild und Darstellung, sondern »durch das Ver-
hältnis der einzelnen Teile des Kunstwerks zueinander« geweckt wird; hier scheint
auch das in ganz abstrakter Weise verwertete Prinzip zuzulangen. Nennt der Ver-
fasser, wie schon erwähnt, die Summe jener »Elemente«, »die das ästhetische Ge-
fühl der Einheit aller Teile des Kunstwerks hervorrufen«, »Komposition«, so würden
>wir«, seiner Erklärung zufolge, »je nach der Art, wie die Teilvorstellungen zur
Totalvorstellung des Kunstwerks zusammengefaßt werden, von Rhythmus, Sym-
metrie, Harmonie usw. sprechen«. Die letzteren Begriffe bezeichnen demnach, falls
ich ihn recht verstehe, die besonderen Weisen oder Mittel der Komposition. In
den Ausführungen über diese ganze, von der Nachbildung unabhängige Haupt-
gruppe der ästhetischen Kunstfaktoren lehnt sich Schubert-Soldern zuvörderst wieder
 
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