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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 6.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.3675#0319
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BESPRECHUNGEN. 313

Und daneben dann die Schwulst seiner Worte. Eine Überladenheit — wie
bei schlechten Wohnungseinrichtungen vor zwanzig Jahren; unecht wie jene,
nicht etwa Sturm und Drang, darüber müßte er ja jetzt auch längst hinaus sein,
wenn man vielleicht bei seinen ersten Schriften meinen konnte, es gehe so vor-
über, z. B. bei seiner »Stimmung der Gotik«, von 1904. Seine »sprachschöpfe-
rischen« Velleitäten mit neuen Wortbildungen hat Dessoir in diesen Blättern schon
mal bemängelt, es handelte sich um das Buch über Waldmüller. Aber es bleiben
immer die gesuchten und gewundenen Sätze bei ihm; und dabei plätschert das in
einem geschwätzigen Tempo fort! Gerade bei einem seltsamen Wesen braucht
man den vollsten Eindruck des Natürlichen, Ungekünstelten, damit es erträglich sei.
Er jongliert ein bißchen mit Gefühlen. Das ist nicht mehr feuilletonistisch, sondern
journalistisch im übleren Sinne. Stellenweise sinkt sein Stil bis zum seichten Fa-
milienblattton mit entsprechender subalterner Betrachtungsweise oder trivialen Anek-
doten hinab, z. B. S. 33 II, 37 oben, 41 oben, 43 oben. Dahin gehören auch schlechte
Angewohnheiten wie die ewige reporterhafte Wiederholung »Rudolf Alt«, immer
mit Vornamen, oder »der Großmeister«. So obenhin redet er meist und geht un-
besorgt und unverständig auch mit wertvollen Elementen um, aus denen sich ein
guter Satz bauen ließe; er verzettelt alles ohne jede Plastik, nichts wird fest er-
griffen und kompakt zusammengepreßt, wie man gern tut, wenn man über etwas
Wertvolles nicht schwatzen will; bei starken Erlebungen kann man auch gar nicht
viel reden. Viele Mängel seiner Sprechweise zeigt z. B. ein Stück wie dieses:
»Denken Sie sich einen metallisch dunklen Himmel, der flüssig schien und in dem
eine einzelne lange und schmale, glühgülden umrändelte weiße Wolke verschwebte,
und der einen weithin gedehnten Plan überwölbte, von dem der starke Geruch des
warmen Bodens, vermischt mit dem süßsäuerlichen Duft betauter Rosen und der
frischen Bitterkeit modernden Laubes, hochdampfte. An den dräuenden Quader-
mauern der trotzig ragenden Feste Hohensalzburg glitt das Gewicht blauer und
purpurner Schatten herab und lag lastend auf den flachen Dächern der unterhalb
niedrig geduckten Häuser. Vom Dom und den Kirchen klangen die ehernen
Stundenschläge des Abends in die Stille, die vor- und nachdem zeitweilig ein helles
Klirren, wie von Eisen, das auf Stein stößt, erregend durchdrang.« Und das läßt
er Alt selber sagen! Ist so etwas lesbar? Wenn man zu viel sehen lassen will,
wird man unanschaulich, qualmig. Er hat von Alt also nichts gelernt. Und ist
auch kein Führer zu ihm, kein Vorbereiter: Nach so viel breitem Gerede behält
man keine Lust mehr übrig, sich was von den Bildern anzusehen, oder die Lust
kommt nur aus dem Wunsche nach Erholung. Liest man ein paar Seiten und sieht
dann ein paar winzige Zeichnungen von Alt mit ihrer Geschliffenheit, ihren klaren
und kräftigen Kontrasten von Hell und Dunkel und dabei ihrem Tonreichtum, so
sagt man: Was geht den Maler eigentlich dieser sein Biograph an? War Alt auch
nicht monumental, sondern fein, so doch nie weitschweifig, sondern von reifster
Prägnanz. Diesen Maler hätte schon eine andere Art des Schreibens, die innere
und äußere Form des Essais, charakterisieren können, sie hätte zum passenden
Ausdruck werden können und bereits einen Gehalt bieten besser als viele Worte
oder gerade dadurch, daß nicht zu viele Worte gemacht wurden. Rößler fehlt es
sehr an sprachlicher und gedanklicher Zucht, er läßt alles stehen, was ihm bei-
kommt, und oft anscheinend so, wie's ihm beifällt.

Und darum denkt er denn auch schon salopp. In meinem Exemplar wimmelt
es von Fragezeichen am Rande und eben nicht nur ob der leichtsinnig superlati-
vischen Form, sondern wegen der flachen und halben Wahrheiten, deren man schon
im dritten Absatz des Vorworts ein halbes Dutzend findet. Und schon auf der
 
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