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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 6.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.3675#0479
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BESPRECHUNGEN. 473

die »Kulturphilosophie«, zu tun. So schließt der erste Teil (S. 127): »Die Persön-
lichkeit ist für das Allgemeine Grund und Zweck. In ihr selbst liegt der letzte
absolute Zweck, während in ihrer Bildung das Allgemeine relativer Grund und
Zweck ihrer selbst ist. Damit ist die alte Achillesferse des Idealismus geheilt, die
Frage nach dem Hervorgehen des Erscheinenden aus dem Wesen gelöst. Jede ein-
zelne Kulturstufe läßt sich als ein charakteristisches Abhängigkeits- und Wechsel-
verhältnis (durch Zweck und Mittel) des Intelligiblen und des Logischen darstellen
und erschöpfen. Das Prinzip ihres Verhältnisses ist das zeitliche Werden; das Kon-
krete in ihr die Persönlichkeit.« — Die Kulturphilosophie stützt sich auf folgende
Sätze: »Die Passivität der Persönlichkeit ist in ihrem Ansichsein das Objekt schlecht-
hin: das Kultivierbare.« Dieses »Objekt schlechthin« ist die »Gesamtheit aller um
feste Punkte (Substanzen) angeordneten Betätigungen, welche als das ruhende Sein
die Spontaneität der Persönlichkeit ersetzen. Es ist die Ausgeglichenheit der an
sich irrationalen Persönlichkeiten, aber als solche bloßes Postulat, dessen Wirklich-
keit nur erst wieder in der subjektiven Teilnahme einer Persönlichkeit besteht«
(S. 128). Dieses Allgemeine oder Objektive schlechthin wird als Begriff Wissen-
schaftslehre, als Motiv Ethik und im Ideal Religiosität und Kunst. Ich setze aus
der Wissenschaftslehre einige Ausführungen hierher: »Der Begriff, d. h. die Über-
tragung der Selbstheit als Form des Objekts, assimiliert das Nicht-Ich dem Ich.
Dieser Vorgang ist der Anthropomorphismus; das Resultat die objektive oder abge-
leitete Substanz, das Ding. In dieser Urhandlung ist der ganze Gegenstand des
kritischen Geschäfts befaßt: alle apriorischen Formen des Subjekts, Anschauungs-
formen, Kategorien und Ideen sind nur Differenzierungen dieses Aktes« (S. 151 f.).
»Das Wesen der objektiven Kausalität besteht darin, daß die Wirkungen (Erschei-
nungen) unter einem gemeinsamen Wesen zusammengefaßt werden, welches als
Eigenschaft einer Substanz (des Dinges) hypostasiert und als Ursache gesetzt wird«
(S. 145). »Die Natur ist der jeweilige Reflex der aus Spontaneität geborenen und
unter Zeitverhältnissen stehenden vernünftigen Bildungsbedingungen der Persönlich-
keit in Selbständigkeit und Selbsttätigkeit« (S. 151).

Aber ich verzichte auf weitere Proben und unterlasse auch, die eigentümliche
Theorie, nach welcher das »Hören das eigentliche Prinzip der Vernunft, der eigenen
Passivität, die fremde Spontaneität« ist (S. 108, 139, 229, 459, 492) näher aus-
zuführen. Hier interessiert doch wesentlich, was der Verfasser über die Kunst
zu sagen hat. Was uns in diesen neben den ethischen Partien verhältnismäßig
verständlichsten Ausführungen entgegentritt, sind die wohlbekannten Allgemein-
heiten der spekulativen Ästhetik. »Kunst ist Gestaltung und Beherrschung der
Mannigfaltigkeit des Bewußtseins durch dessen transzendentale Einheit, das Selbst,
welches aber wiederum nur zur Erkenntnis seiner selbst kommt durch die Viel-
heit, das Objekt, das Allgemeine, wie das Bewußtsein überhaupt auf diesem,
dem Vernünftigen ruht. Damit ist zugleich, eben durch das Objekt, die Wir-
kung . . ., der ethische Wert der Kunst gegeben: durch das Objekt werden alle an
ihm teilnehmenden zur eigenen transzendentalen Selbstheit und Freiheit geleitet.
Kunst ist also Betätigung aus Freiheit und Spontaneität« (S. 406). »Der ästhetische
Zustand ist der mögliche Ausgleich der Aktivität mit der Passivität« (S. 416). Aller-
dings verharrt er im wesentlichen in der Passivität; »das aktive Moment an ihm
bleibt in der subjektiven Vereinzelung, ist momentaner Genuß und hat auch nicht
die Fähigkeit, die Gesamtheit des Bewußtseins plastisch zu gestalten und zu be-
herrschen« (ibid.). »Sein Tun ist jedoch Vermittlung des vom Kunstwerk gesetzten
Ideals mit dem abgeplatteten, sinnlos gewordenen Allgemeinen« (S. 417). »Zweck
und Inhalt der ästhetischen Erziehung ist . . . die Hinleitung zum Bewußtsein der
 
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