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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 6.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.3675#0640
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BESPRECHUNGEN. 627

objektiven. Die Entwicklung der Künste scheint auf ganz bestimmte Entwicklungs-
tendenzen zu neuer lebhafterer Innervation hinzuweisen, die dann von selber jene
»malerischen Phänomene* wie Licht und Schatten mit sich bringen. So hätte auch
in der vorliegenden Untersuchung eine stärkere Berücksichtigung der Psychologie
des künstlerischen Genießens manche Probleme vereinfacht und von neuen Seiten
beleuchtet. Jedenfalls würden sie mehr zu einer Klärung der Dinge beitragen als
die zwar geistreichen, aber doch bloß spekulativen Gedanken über die Bedeutung
des platonischen Eros usw. für die Entwicklung der Plastik usw.
Berlin-Halensee.

Richard Müller-Freienfels.

Kurt Bauer, Ästhetik des Lichts. iMünchen und Leipzig, R.Piper & Co.,
1908. 231 S., 13 Tafeln. 8°.

Die Probleme, die eine Ästhetik des Lichts stellt, lassen sich ziemlich bestimmt
umschreiben. Ihre Untersuchung hat sich in erster Linie darauf zu konzentrieren,
welche ästhetischen Wirkungen das Licht herzugeben imstande ist einmal gegen-
über den Formen, also als bloßer Sinnesreiz, und wie sich die Darstellung des
Lichts zu der der Formen dabei verhält. Überwiegende Helligkeit, Freilicht, und
überwiegende Dunkelheit (Nachteffekte) wären dabei zu scheiden, die Möglichkeit
ist zu erörtern, mit einer lichtschwachen Farbe dem Eindruck des grellen Lichts in
der Natur sich zu nähern. Sodann tritt das Licht in Gegensatz zur Farbe, als hell
und dunkel in einer Kirche, die sich der Schwarzweißkunst nähert. Ferner bietet
die Licht Wirkung in Verbindung mit Körpern und als Ersatz für Farbe eine Reihe
von Problemen, die des Glanzes. Schließlich ist die seelische Wirkung, die Stim-
mung dieser Lichiwirkungen, heranzuziehen.

Von all diesen Problemen wird man in diesem Werke nichts behandelt finden.
Es ist keine Ästhetik des Lichts, sondern eine Metaphysik des Lichts, die nach Art
materialistischer Metaphysik alles zu Licht werden läßt wie einst die ionischen Philo-
sophen alles zu Wasser, Luft und Feuer machten. Selbst die Gedanken und Vor-
stellungen sind für Bauer Verwandlungen des Lichts auf dem Wege von der Retina
durch die Nerven zum Gehirn. Im Grunde ist also gar nicht vom Licht speziell
die Rede, sondern vom Sehen und künstlerischen Genießen von Bildern überhaupt,
schließlich von allen Prozessen und Bewegungen im Weltall. Wie aber in jeder
Metaphysik, die einen bestimmten Stoff oder ein bestimmtes Prinzip zur Wirklich-
keit objektiviert, eine bestimmte Vorliebe sich kundgibt, so ist auch diese Meta-
physik des Lichts ein Erzeugnis bestimmter moderner Prädilektionen, eine Art
pleinairistischen Weltbildes. Macht man einen Unterschied zwischen erklärender
und rhetorischer Ästhetik, von denen letztere alle Deutungen nur benützt, um für
eine bestimmte Geschmacksrichtung Propaganda zu machen, dann kann diese
Ästhetik des Lichts als rhetorisches Erzeugnis noch einen gewissen Wert erhalten,
der ihr als Erklärung der Tatsachen gänzlich abzusprechen wäre. Sie ist interessant
nur als Dokument, als Produkt des Impressionismus, dessen Programm von Licht
und Farbe, von Nuancierung der Farben in einheitlichem Grundton und Zerlegung
der Helligkeit im Pointillismus nicht nur aufgenommen wird, sondern dessen Vor-
liebe für Reizwirkungen und unlogische Eindrücke sich in einer hymnischen Sprache
kundgibt, deren Bildlichkeit zuliebe physikalische und physiologische Analogien
zusammenphantasiert und als wissenschaftliche Tatsachen ausgegeben werden. Man
würde dem Buche und dem Verfasser, dessen Phantasie — trotz den unleugbaren
Anlehnungen an Nietzsche selbst in der Vorliebe für physiologische Interpretation
geisteswissenschaftlicher Talsachen — selbständiges Talent genug verrät, keinen
 
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