Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 6.1911

DOI article:
Conrad, Waldemar: Bühnenkunst und Drama, [2]
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.3675#0408
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
402 ANMERKUNGEN.

Wendungen. »Das Schauspielerische darf nicht mechanisch nebenhergehen, — sagt
er S. 329 — sondern es muß aus dem tiefsten Kerne, aus dem geistigen Gehalte
des Stückes hervorwachsen; das Stück muß sinnlichst dargestellter Gehalt, das Poe-
tische und Schauspielerische daran muß ein und dasselbe sein.« Und er zieht auch
die Konsequenz: »Die dramatische Fakultas eines Stoffes (!) wird daher in der Be-
schaffenheit des Gehaltes liegen, die sich völlig, sinnlich darstellen läßt.« »Die
dramatische Kunst ist eine Synthesis von Dicht- und Schauspielkunst.« Und fragt
sich auch schon, wie eine solche zustande kommen kann: »Damit nicht bloß ein
mechanisches Konglomerat, sondern ein lebendiger künstlerischer Organismus aus
dieser Vereinigung, eine wirkliche und selbständige Kunst daraus werde, die dra-
matische, so muß die umfangreichere Dichtkunst sich in die Schranken der engeren
Schauspielkunst fügen und ihre Absicht teilen: Menschendarstellungen«. »Keine
der beiden Künste darf eitel und selbstsüchtig einen Erfolg für sich allein erringen
wollen, jede nur einen teilbaren, durch und mit der anderen« — so faßt er es in
seiner letzten Tagebuchnotiz (S. 395) noch einmal zusammen, als etwas, was ihm
vor allem andern als Resultat seiner Shakespearestudien am Herzen liegt. Zwei
weitere sehr bedeutsame Konsequenzen hat er auch schon gezogen (S. 329), daß
nämlich der dramatische Dichter immer daran denken müsse, daß seine Personen
sinnlich erscheinende Menschen würden. »Gar zu zarte Bilder, wie im Tasso, sind
bloß für die Phantasie des Lesers geschaffen, der wirkliche Mensch, der ihn repro-
duziert — der Schauspieler —, der schon selbst ein Individuum ist — dessen indi-
viduelle Züge (werden) gegen seinen Willen durchstechen — wenn er ihnen nicht
eine Individualität leiht, die, stärker durch Gedrängtheit, die wirkliche (d. h. die
vom Dichter gemeinte) übertönt .. . anstatt daß die schwächere Individualität des
Schauspielers von der stärker gezeichneten der dramatischen Person überwältigt
und verschlungen werden müßte, geschieht das Umgekehrte . . .« Und des näheren
fügt er S. 330 hinzu: »Der Poet braucht nicht das zu tun, was der Schauspieler
besser hinzutun kann, wie z. B. die Wärme .. . Die Poesie muß überall den
geistigen Gehalt zu den Geberden des Schauspielers geben, so daß sozusagen diese
Geberden selbst gehaltvoll werden, keine bloße Gesichterschneiderei usw. d. h.
plastisch und bedeutend . . . Der Anteil des Geistes an diesen Bewegungen weiht
sie erst für die Kunst. . .«

Dementsprechend scheidet er übrigens auch (S. 132) die »malerische Ausfüllung
der Rahmen des Bühnenbildes«, das »Theatralische im Raum, Gruppen usw.« oder
»das Plastisch-Mimische« als das »schlechte« Theatralische von dem »Dramatisch-
Mimischen«, dem »Theatralischen in der Zeit« als dem »guten« Theatralischen. —
Ja er geht in der Betonung der schauspielerischen Seite einmal (S. 93) so weit, daß
er sagt: »Man müßte die ganze dramatische Kunst aus dem Problem, der Schau-
spielkunst ein Substrat zu geben, herleiten. Da würden sich fruchtbare Gesichts-
punkte finden.« — Indessen vergleicht er S. 287 auch die Dichterworte des Dramas
mit der »Untermalung eines Gemäldes«.

Vgl. auch S. 357, wo von dem »Antagonismus« des »poetischen Textes« mit der
Aufgabe des Schauspielers gehandelt wird, S. 356, wo die zweifache Natur des dra-
matischen Talentes zur Sprache kommt, S. 146 und 150, 156, 157, 158, 127, 346, 334,
336, 324.

19) (Zu S. 358.) Aber schon Diderot hat zu einer Zeit also, wo Aristoteles im
ganzen noch absolute Autorität war, die Bedeutung des mimischen Anteils erkannt
und nachdrücklichst hervorgehoben. A. a. O. S. 512 sagt er: J'ai dit que la panto-
mime est une portion du drame, que l'autcur s'en doit occuper se'rieusement; que si
eile ne lui est pas familicre et presente, il nc saura ni commcnccr, ni conduire, ni
 
Annotationen