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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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Deri, Max: Kunstpsychologische Untersuchungen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0068
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MAX DERI.

Malerei'

und Ornament auf und zeichnen in die betreffenden Felder unserer
Tabelle Kreise ein, deren Durchmesser dem spezifischen Anteil der
einzelnen Künste an den verschiedenen Gefühlsgruppen ungefähr pro-
portional sein sollen. Wir kommen dabei auf eine ganz verschiedene
Verankerung der einzelnen Künste bei den einzelnen Gruppen der
Gefühle.

Die Malerei im allgemeinen (nicht etwa die bestimmter Zeiten) ist
ungefähr gleich stark bei allen Gruppen verankert: sowohl bei den
Farb-Sinnesgefühlen (Farbengebung und Stilleben), wie bei den Ding-
gefühlen (Genre, Landschaft, Porträt), wie bei den Vorgangsgefühlen
(durch Festhalten charakteristischer Stellungen und Bewegungen bei
den religiösen, repräsentativen, geschichtlichen, bei Jagd-, Kampf-, Tanz-
bildern und dergleichen), wie bei den Allgemein-
gefühlen (durch die in den gegenständlichen Vor-
wurf hineingearbeiteten Gefühlssymbole). Und sie
sendet dann noch Wurzeln in die einzelnen
Gruppen der Körpergefühle. — Aus der Vielheit
dieser Elemente, die ja keineswegs immer alle
gleichzeitig auftreten, folgt ohne weiteres die große
Mannigfaltigkeit der Geschichte der Malerei. Man
könnte für jeden geschlossenen Kulturkreis der
Malerei derartige SpezialSchemata in ungefährer
Annäherung aufstellen. So würde zum Beispiel
die holländische Malerei des 17. Jahrhunderts den
größten Kreis bei den Sinnesgefühlen zeigen, den
nächstgroßen bei den Ding- und Vorgangsgefühlen,
doch bei den Körpergefühlen und namentlich bei
den Allgemeingefühlen verhältnismäßig gering verankert sein. Die
italienische Renaissance hätte dagegen einen weit kleineren Kreis bei
den Farb-Sinnesgefühlen, einen weit größeren bei den Körpergefühlen
und Allgemeingefühlen. Der Klassizismus des 19. Jahrhunderts wieder
würde sein Schwergewicht bei den Inhaltsgefühlen finden. — Ja
man könnte selbst für einzelne Maler verschiedene solcher Tabellen
aufstellen. Um nur ein Beispiel zu geben, würde sich Rembrandt
und seine Schule aus dem ganzen 17. Jahrhundert Hollands dadurch
herausheben, daß er die Farben seiner Bilder nicht als bloße Sinnes-
gefühle, oft rein artistisch als sinnlichen Augenkitzel bringt, wie es
all die Kleineren um ihn tun, die nichts als die Oberfläche der Dinge
farbig nachschmecken wollen, sondern daß er, als tieferer Mensch,
von der beherrschenden Allgemeinstimmung des Bildvorwurfes die
Farben tragen läßt, daß er sie zur Allgemeinstimmung wählt, tief aus
dem Herzen, nicht bloß aus reiner Augenkultur holt, sie im Sinne von
 
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