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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0137
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BESPRECHUNGEN.

133

Objekt. Es wird dann untersucht, wie weit die beschriebenen Phänomene auf
Täuschungen beruhen. — Auch der noch ausstehende zweite Band des vorliegen-
den Werkes, der die Ekstase vor allem behandeln soll, dürfte noch mancherlei
Interessantes für den Ästhetiker bringen.

Berlin-Halensee. Richard Müller-Freienfels.

Walther Schmied-Kowarzik, Intuition. Ein Beitrag zur Psychologie des
ästhetischen Erlebens. Leipzig 1910, Johann Ambrosius Barth. 35 S.
Aus dem erfreulichen Bestreben heraus, die Autonomie der Kunst durch Zurück-
gehen bis auf ihre psychologischen Fundamente zu sichern, versucht W. Schmied-
Kowarzik den Begriff der Intuition in den Mittelpunkt ästhetischen Erlebens zu
stellen. Ausgehend von dem Gedanken, daß den charakteristischen Merkmalen des
ästhetischen Gegenstandes eine charakteristische Beschaffenheit der psychologischen
Bedingungen entsprechen müsse, sucht er nachzuweisen, daß die Intuition das
leisten könne, was wir vom ästhetischen Gegenstand verlangen. Er stellt als wesent-
liche Eigenschaften des Schönen dreierlei in Übereinstimmung mit bekannten ästhe-
tischen Definitionen fest: 1. die Einheit in der Mannigfaltigkeit; 2. diese wird näher
dadurch bestimmt, daß sie in der (scheinhaften) Gestalt, nicht im Stoff sich aus-
drückt (wobei der Verfasser eine nicht ganz einleuchtende Gegensätzlichkeit von
Gestalt und Stoff zu dem Gegensatz von Form und Inhalt konstruiert); 3. das
Schöne hat normativen Charakter. — Die ästhetische Einheit in der Mannigfaltig-
keit wird der logischen Einheit entgegengesetzt, sofern erstere nie eine Zusammen-
setzung voraussetzt und weder abstrakte Gleichheit noch rationale Meßbarkeit dis-
kreter Glieder bedeutet. — Als Gestalt wird die in abstrakten Begriffen nicht wieder-
zugebende innere Harmonie im ganzen des Kunstwerks bezeichnet. Der normative
Charakter endlich soll das Schöne gegen sensualistische und — was bedenklicher
klingt — auch gegen rationalistische Ausdeutungen abgrenzen.

Das diesen Objektbestimmungen korrespondierende psychologisch-ästhetische
Erlebnis muß also derart beschaffen sein, daß es Einheit, Gestalt und Norm er-
fassen kann. — Auf Grund einer Durchprüfung der psychologischen Theorien, die
im wesentlichen am Jodischen psychologischen Schema von Gefühls-, Vorstellungs-
und Verstandeserlebnissen sich orientiert, kommt der Verfasser zur Überzeugung,
daß keine dieser psychologischen Theorien (auch nicht die Einfühlungstheorie, die
sich dem Schema nicht einfügt) sich zur Grundlage für eine Psychologie der Ästhetik
eignet. In Ergänzung der Jodischen Kategorie der »zusammenfassenden Erlebnisse«,
die zunächst nur das Urteil umfaßt, führt der Verfasser dort den Begriff der Intuition
ein — ein Ausdruck, den er wegen geringerer Belastung ähnlichen (wie Schauen,
Phantasie usw.) vorzieht.

Auf das Spezifische, das der Intuition eignet, weisen bereits Machsche und
Ehrenfelssche Gedanken hin — es läuft im wesentlichen darauf hinaus, daß die
Zusammenfassung ein Plus enthält gegenüber ihren Elementen, daß z. B. die
Melodie mehr sei als die Summe der Töne, daß auch gleiche Melodien von ver-
schiedenen Tönen gebildet werden können, — es ist das, was als Gestaltqualität
bezeichnet worden ist. Zwischen Intuition und Urteil (als den beiden Einheiten
im Mannigfaltigen) werden nun Gemeinsamkeiten und Unterschiede statuiert, die
nicht gerade glücklich herausgearbeitet sind und in der Hauptsache auf den hier
etwas leeren Gegensatz von Rationalem und Irrationalem hinauslaufen; dazu wird von
logischer Seite meist einseitig das Existenzialurteil als Schema herangezogen und
die logische Gültigkeit als ein »Sein« oder »Sein-Müssen« der ästhetischen als Sein-
Sollen entgegengesetzt, was einigermaßen bedenklich ist. »Der Kern des ästhe-
 
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