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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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Deri, Max: Kunstpsychologische Untersuchungen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0199
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KUNSTPSYCHOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN. 195

wir weiter nach den Dinggefühlen, die etwa über das Ohr hin ver-
mittelt werden. Das Ding hebt sich vom Vorgang durch seinen ruhen-
den, festgestellten Charakter ab. Mit dem ständigen Ablauf der Zeit
ist hier keine wesentliche Veränderung am Objekt verbunden. Es wird
nun im Hörbereiche schwer, zu einer festen Definition eines Dinges
zu kommen, weil man hier den physikalischen Vorgang der Sinnes-
vermittlung an sich zu deutlich erlebt. Bedenkt man aber, daß ohne
dauerndes Geschehen irgendwelcher objektiv-physikalischen Art ein
Wirksamwerden auf unsere Sinnesorgane überhaupt nicht möglich ist,
so zeigt sich vielleicht ein Weg.

Ein Sehding ist etwas, was seine Form, seine Lage zum Räume,
seine Farbe usw. während der Aufnahme nicht wesentlich verändert.
Diese Aufnahme durch mein Auge ruht auf irgendeinem physikalischen
Prozeß, der, mir kaum bewußt, ununterbrochen vor sich geht, dabei
aber immer die im wesentlichen gleichen Daten vermittelt. Eine rote
Kugel als Ding wird mir nur etwa durch Ätherschwingungen sicht-
bar. Aber der Vorgang, der das Sichtbarwerden vermittelt, gibt immer
die gleichen Daten, läuft an einem Feststehenden entlang. Ein Ding
wäre hier also ein Komplex von Merkmalen, der, einmal in einer be-
stimmten Konstellation gefunden, im Laufe der Beobachtung wesent-
lich denselben Eindruck vermittelt.

Auf Hörerfahrungen übertragen müssen wir entsprechend das ein
»Ding für das Ohr« nennen, was uns eine Summe von Gehörsein-
drücken vermittelt, die im wesentlichen gleich bleiben. Läuft der Pro-
zeß der Luftschwingungen auch so viel langsamer als der der Äther-
schwingungen, daß man meist geneigt sein wird, für einen »Vorgang«
zu erklären, was wir konsequenterweise hier als ein »Hörding« be-
zeichnen wollen, und ist die Grenze zwischen Hördingen und Hör-
vorgängen sicher auch nicht scharf zu ziehen, so empfiehlt es sich
doch, ein Hörding jenes zu nennen, bei dem der Gehörseindruck als
Komplex von Sinnesgefühlen, die in bestimmter Art miteinander ver-
bunden sind, ein im wesentlichen gleichförmiger bleibt. Wie sich
ja doch auch bei Sehdingen in jedem Momente Licht- und Schatten-
nuance sowie Farbennuance ändern und man damit bei schärfster
Unterscheidung von »Dingen« überhaupt nur für den Momentan-
eindruck sprechen dürfte. Analog, bloß eben wegen der größeren
Schwerfälligkeit der physikalischen Vermittlung mit weit größerer Deh-
nung in die Zeit, ist es bei den Hördingen.

Hördinge sind also etwa: Glockengeläute, Wasserrauschen, Gebets-
gemurmel, Regenrieseln, Springbrunnenplätschern: alle während ihrer
Dauer ganz oder annähernd unveränderten Gehöreindrücke, die nicht
reine Sinnesempfindungen sind. Bei etwas weitergesteckten Grenzen
 
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