200 MAX DERI.
stürmisch, stockend, beschwingt: es ist nur die Gruppe der Allge-
meingefühle, die hier in Betracht kommt.
Ganz ähnlich, nur noch primitiver in seinem Bau, ist das
Verhältnis bei der Dynamik der Töne. Objektiv starke Ger
rausche erregen eine starke Gemütserschütterung, objektiv leise
Geräusche bringen mich in geringere seelische Bewegung. Und so
einfach dieser Objekt-Subjekt-Vorgang ist, so einfach wird die ge-
fühlssymbolische Umdeutung: ich kann (auf angeborenen Reflexen
fußend) aus einer linden Stimmung heraus ein leises, aus einer be-
wegteren heraus ein kräftiges Betonen gefühlssymbolisch anwenden,
Daß aber hier, wo das Verschwimmen des Innen und Außen eben in
der Banalität der Tatsache besteht, daß lautlich starke äußere Eindrücke
mich stark innerlich erschüttern, anderseits aber starke innere Gemüts-
bewegungen, wenn sie aus irgend einem Anlasse bereits in mir vor-
handen sind, mich zu einer Verstärkung rein der Intensität meiner laut-
lichen Willküräußerungen bewegen: daß hier ein besonders inniges
Verschwimmen der objektiven und der subjektiven Gruppe statthaben
muß, ist leicht einsehbar. Dennoch muß die Scheidung theoretisch
scharf betont werden. Ein lautes und plötzliches kurzes Orchestern
tutti kann einmal objektiv gemeint sein; dann ist es, programmmusikr
artig, dazu komponiert, um mich durch seine Fülle und Gewalt rein
objektiv zu erschrecken, in eine aufgerüttelte, entsetzt gespannte Lauscher7
Stimmung zu versetzen, in die dann eine gefühlsgesättigte Melodie
vielleicht doppelt tief und wirksam eintaucht. Aber jenes selbe Or-
chestertutti kann ein anderes Mal »gefühlssymbolisch« gemeint sein,
etwa als Krönung eines langsamen Aufschwunges zu immer hoheits-
vollerer, gesteigerterer, monumentalerer innerer Stimmung: aus der dann,
von innen nach außen, jene größte, monumentalste, aufreißendste
Kraftstelle aufblüht. Und in diesem zweiten Falle ist eben der Vorr
gang des »Verstehens« ein völlig anderer als vorhin. Ich setze mich
nicht mehr lauschend in mich selber zurück, werde durch das Tutti
aufgeschreckt, sitze mit vorgebeugtem Oberkörper gespannt da, hinaus-
gereckt in die Stille, was sie bringen werde; sondern ich bin von An-
fang an innerlich in der Auf Steigerung mitgegangen, habe mich an-
dauernd seelisch emporgestreckt und sitze nun gestreckten Körpers
und erhobenen Kopfes da, am Gipfel meiner seelischen Kraft ange-
langt, und träume meiner letzten Gewaltanstrengung nach. — Die hier
beschriebenen Körperbewegungen wollen nicht etwa eine poetische
Einkleidung einer unklaren Sache geben, sondern sie sind eben als
Ausdrucksbewegungen, das heißt als auf das Auge wirksame
Gefühlssymbole, die besten Zeiger, um an sich und anderen die
völlige Heterogeneität der beiden seelischen Prozesse zu erkennen.
stürmisch, stockend, beschwingt: es ist nur die Gruppe der Allge-
meingefühle, die hier in Betracht kommt.
Ganz ähnlich, nur noch primitiver in seinem Bau, ist das
Verhältnis bei der Dynamik der Töne. Objektiv starke Ger
rausche erregen eine starke Gemütserschütterung, objektiv leise
Geräusche bringen mich in geringere seelische Bewegung. Und so
einfach dieser Objekt-Subjekt-Vorgang ist, so einfach wird die ge-
fühlssymbolische Umdeutung: ich kann (auf angeborenen Reflexen
fußend) aus einer linden Stimmung heraus ein leises, aus einer be-
wegteren heraus ein kräftiges Betonen gefühlssymbolisch anwenden,
Daß aber hier, wo das Verschwimmen des Innen und Außen eben in
der Banalität der Tatsache besteht, daß lautlich starke äußere Eindrücke
mich stark innerlich erschüttern, anderseits aber starke innere Gemüts-
bewegungen, wenn sie aus irgend einem Anlasse bereits in mir vor-
handen sind, mich zu einer Verstärkung rein der Intensität meiner laut-
lichen Willküräußerungen bewegen: daß hier ein besonders inniges
Verschwimmen der objektiven und der subjektiven Gruppe statthaben
muß, ist leicht einsehbar. Dennoch muß die Scheidung theoretisch
scharf betont werden. Ein lautes und plötzliches kurzes Orchestern
tutti kann einmal objektiv gemeint sein; dann ist es, programmmusikr
artig, dazu komponiert, um mich durch seine Fülle und Gewalt rein
objektiv zu erschrecken, in eine aufgerüttelte, entsetzt gespannte Lauscher7
Stimmung zu versetzen, in die dann eine gefühlsgesättigte Melodie
vielleicht doppelt tief und wirksam eintaucht. Aber jenes selbe Or-
chestertutti kann ein anderes Mal »gefühlssymbolisch« gemeint sein,
etwa als Krönung eines langsamen Aufschwunges zu immer hoheits-
vollerer, gesteigerterer, monumentalerer innerer Stimmung: aus der dann,
von innen nach außen, jene größte, monumentalste, aufreißendste
Kraftstelle aufblüht. Und in diesem zweiten Falle ist eben der Vorr
gang des »Verstehens« ein völlig anderer als vorhin. Ich setze mich
nicht mehr lauschend in mich selber zurück, werde durch das Tutti
aufgeschreckt, sitze mit vorgebeugtem Oberkörper gespannt da, hinaus-
gereckt in die Stille, was sie bringen werde; sondern ich bin von An-
fang an innerlich in der Auf Steigerung mitgegangen, habe mich an-
dauernd seelisch emporgestreckt und sitze nun gestreckten Körpers
und erhobenen Kopfes da, am Gipfel meiner seelischen Kraft ange-
langt, und träume meiner letzten Gewaltanstrengung nach. — Die hier
beschriebenen Körperbewegungen wollen nicht etwa eine poetische
Einkleidung einer unklaren Sache geben, sondern sie sind eben als
Ausdrucksbewegungen, das heißt als auf das Auge wirksame
Gefühlssymbole, die besten Zeiger, um an sich und anderen die
völlige Heterogeneität der beiden seelischen Prozesse zu erkennen.