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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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Mies, Paul: Über die Tonmalerei, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0402
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398 PAUL MIES.

bleibt unerklärt: der Nervenprozeß, durch welchen nun die Empfindung
des Tones zum Gefühl, zur Gemütsstimmung wird«. Diese Theorie
ist auch von Helmholtz angenommen worden, der sagt1): »In dieser
Weise kann die melodiöse Bewegung der Töne Ausdruck werden für
die verschiedenen menschlichen Gemütszustände, nicht für eigentliche
Gefühle — denn es fehlt der Musik das Mittel, den Gegenstand des
Gefühls deutlich zu bezeichnen, wenn ihr nicht die Poesie zu Hilfe
kommt — wohl aber für die Gemütsstimmung, welche durch Gefühle
hervorgebracht wird.«

Die Wirkung der Vokalmusik auf den Menschen setzt sich aus
zwei Elementen zusammen: der Inhalt des Textes läßt sich mit Worten
ausdrücken, er ist ein Konkretes; darauf kann der Text ein Gefühl
und daraufhin eine Stimmung in uns erwecken2); wir sprechen dann
von dem Stimmungsgehalt des Textes. Die mit dem Worte verbundene
Musik erregt in uns ebenfalls eine Stimmung. Eine Vertiefung der
Stimmung und eine erhöhte Wirkung auf das menschliche Gemüt
wird also erzielt werden, wenn Wort wie Ton denselben Stimmungs-
gehalt haben.

Den Anfang der Ausübung musikalischer Kunst bildet wohl die
Vokalmusik. Die noch unbeholfene musikalische Arbeit findet an dem
Texte eine Stütze, an der sie ihr Tonmaterial bilden und ihre Gesetze
entwickeln kann. Später sucht sie charakteristisch zu werden »in Aus-
druck und Färbung für den erwählten Text«3). Dergleichen taucht in
der Musikgeschichte überall auf dem Punkte auf, wo die Theorie des
Tonmaterials ihre Arbeit zu etwas Rundem und Abgeschlossenem ge-
bracht hat — freilich aber vorerst nur in den allgemeinen Umrissen.
So geben die persischen Theoretiker dem Tonsetzer die Lehre, wenn
er ein Gedicht in Musik zu setzen habe, solle er diejenige Tonart wählen,
die zu dem Inhalt der Worte am besten paßt4); so gibt der chine-
sische Kaiser Tohun (2300 v. Chr.) seinem Minister Quei den Auf-
trag: »Die Musik soll dem Sinn der Worte folgen«5); ähnliche Aus-
sprüche rühren her von Franchinus Gafor6) (Ende des 15. Jahrhunderts),

bände der Internationalen Musikgesellschaft = S. I. M. — H. Riemann, Handbuch
der Musikgeschichte 1. Auflage - R. Hb. I, II1, II2. _ A. Reißmann, Allgemeine
Geschichte der Musik Bd. I—III, 1863-66 = Rei. A. G. d. M. I—III. — Landshoff,
J. R. Zumsteeg, Beiträge zur Geschichte des Liedes und der Ballade. Diss. Mün-
chen 1900 = L. Z.
>) He. T. S. 397.

2) Ha. M. S. S. 25.

3) A. I, S. 442.
<) A. I, S. 442.
5) A. I, S. 513.
°) A. I, S. 442.
 
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