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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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Mies, Paul: Über die Tonmalerei, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0426
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422

PAUL MIES.

sich, wie wir gesehen haben, zumeist der großen oder kleinen Terz;
die anderen vorkommenden Intervalle werden zur Erhöhung der musi-
kalischen Wirkung hinzugezogen.

Ein ebenfalls entschieden musikalischer Vogel ist die Wachtel,
doch ist bei ihr der rhythmische Sinn besonders entwickelt. Trotz
des einfachen Gesangs haben wir kein älteres Tonwerk gefunden, in
dem sie nachgeahmt würde. Aus neuerer Zeit dagegen stammt das
Lied »Der Wachtelschlag«; es ist von Beethoven und von Schubert
(Op. 68) komponiert; der Rhythmus des Rufs ist in beiden gleich, die
Tonhöhe dagegen variiert auch in den einzelnen Liedern sehr; ebenso
lautet das Wachtelthema der Oboe in Beethovens Pastorale und in
Haydns Jahreszeiten.

Durch den Text des Matthäus-Evangeliums hatte sich in den
Passionsspielen nach Matthäus der Gebrauch herausgebildet, die Worte:
»Ehe der Hahn krähet« und »alsbald krähete der Hahn« tonmalerisch
zu illustrieren. Als Rhythmus ist bei den meisten festgehalten js js ^ Ji
was ja auch unserem onomatopoietisehen Worte kikeriki entspricht.
Die ersten drei Töne werden meist auf einer Tonstufe oder wenig-
stens auf ganz benachbarten gesungen; an den vierten schließen sich
häufig noch einige meist abwärtsgehende Sprünge, sei es in Terzen
oder der Sprung in die Oktave und Quarte oder kleine Läufe an.
Als Beispiele geben wir je eine Stelle aus einer Passion von J. Se-
bastiani1) (1622—83) und J. Theile1) (1646—1724); beidemal sind es
hauptsächlich die begleitenden Streichinstrumente, welche die Ton-
malerei ausführen. Andere, allerdings nicht so typische und klare Dar-
stellungen finden sich in H. Schütz' Matthäus-Passion 1666, sodann
bei J. S. Bach ein sehr charakteristisches Matthäus-Passion-Rez. Nr. 22
bei den Worten des Evangelisten: »In dieser Nacht, ehe der Hahn
krähet, wirst du mich dreimal verleugnen«; in Haydns Jahreszeiten
imitiert die Oboe das Krähen; aus neuerer Zeit führen wir den Hahnen-
schrei im Schluß des »Danse macabre« von Saint-Saens an.
Sebastiani (S. 30).

8.

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') D. d. T. Bd. 17 (R. Zelle).
 
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