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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

DOI Artikel:
Mies, Paul: Über die Tonmalerei, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0441
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ÜBER DIE TONMALEREI.

437

das Stück ist zweichörig, jeder Chor hat drei Stimmen, die beiden
°re ahmen sich nach; der erste singt auf die Worte »cum lacrymis«
die Phrase:

30.

Cantus

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Eine prachtvolle Darstellung des Weinens, in der eine Singstimme
as Hauptthema hat, die Begleitung sich ebenfalls sehr chromatisch

bewegt, ist in J. S. Bachs Johannes-Passion die Komposition der Worte

»und weinete bitterlich«. Hier möchten wir auch an die Nänie (Op. 82)
on J. Brahms erinnern; zu der Stelle »es weinten die Götter, die
ottinnen alle« setzt Brahms eine Musik, der man, trotzdem sie sich

Sariz aus vorhergehenden Motiven des Werkes zusammensetzt, die

tonmalerische Bedeutung sofort ansieht.

Bei

unserer bisherigen Besprechung der musikalischen Darstellung

s Weinens war die klangliche Analogie als Orund der Übertragung
genommen worden. Wir müssen schon hier erwähnen, daß es noch
e'ne andere Übertragung des Weinens in die Musik gibt, die auf Be-
egungsanalogien zurückzuführen ist, indem man nämlich das Herab-
" der Tränen als Ausgangspunkt der Übertragung nimmt.
. Zuletzt möchten wir kurz die Darstellung des Heulens und Schreiens
'n der Musik streifen. Ohne Text oder genaues Programm ist dabei
a 'erdings fast nichts zu ersehen, mit ihrer Hilfe aber fehlt es an recht
realistischen, aber auch drastischen Darstellungen nicht. So bedeutet
. er .erste gellende Akkord, der sofort durch Baßtriolen abgelöst wird,
iszts symphonischer Dichtung »Mazeppa« den Schrei des auf den
cken seines Rosses gefesselten Mazeppa. Geradezu burlesk ist aber
m'e. Mus'k aus R. Keisers Oper »Circe« zu den Worten »Wie würde
füh'ne ^utter scnrein«; die Singstimme endet mit einem aufwärts-
fr^nden Oktavensprung auf einer grellen Dissonanz, sie bleibt noch
dem Dominantseptimenakkord, während die Begleitung schon den
Qrundakkord angibt i).

OnP? Pi6 SteIIe Seben wir nach Dr. E. O. Lindner, Die erste stehende deutsche
per> ßd. II, S. 16, 1855.
 
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