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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

DOI Artikel:
Mies, Paul: Über die Tonmalerei, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0442
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438

PAUL MIES.

31.

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Wie würde sie nicht schrein!

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Die Übertragung des Heulens in die Musik nimmt, ebenso wie
die des Weinens, Ausgang von chromatischen Tonfolgen. Durch un-
ruhigere Bewegung und größere Tonstärke wird hierbei eine genauere
Nachahmung des Naturlauts zu erreichen versucht. So tritt in Glucks
»Iphigenie in Aulis«, wenn Agamemnon das Heulen und Zischen der
Eumeniden zu hören vermeint, in der Begleitung des Rezitativs eine
unruhige chromatische Figur auf, die wohl das Heulen der Furien
versinnlichen soll.

Als besonders glänzende Beispiele dieser Art von Tonmalerei führen
wir den Chor Nr. 6 »Kommt mit Zacken, kommt mit Oabeln« aus
Mendelssohns »erster Walpurgisnacht« an und einige charakteristische
Stellen aus dem »Dies ime« des Verdischen Requiems.

Um die Geräusche, die der Wind in der Natur hervorbringt, musi-
kalisch wiederzugeben, hat die Tonmalerei ursprünglich zwei Mittel;
sie sucht entweder das darzustellen, was wir »Rauschen, Säuseln«
nennen, oder das, was wir mit »Heulen, Sausen« bezeichnen. Das
erstere ist das Zeichen eines- sanften Windes; das Geräusch, welches wir
in der Natur dann vernehmen, rührt meist her von dem Rauschen der
Blätter oder der Baumwipfel. Das Heulen und Sausen dagegen kommt
bei starkem Winde zustande, dadurch, daß sich der Wind an Baum-
stämmen und anderen Hindernissen bricht oder in hohlen Kaminen
und Felsen fängt. Das Rauschen hat in der Natur eine ziemlich fest-
stehende Tonhöhe, während das Heulen variiert von den höchsten
bis zu den tiefsten Tönen und einem Effekt entspricht, den man her-
vorbringen kann, wenn man einer Pfeife fortwährend dieselbe Menge
Wind zuführt, die schwingende Luftsäule aber kontinuierlich vergrößert
oder verkleinert. Das Rauschen wird sich also am besten in die
 
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