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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

DOI Artikel:
Mies, Paul: Über die Tonmalerei, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0592
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588

PAUL MIES.

sagt1): »Ein moderner Komponist würde reicher ausmalen, in den
Grundzügen könnte er sich getrost an Cavalli anschließen.«

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Wir erwähnen hier noch den ersten Teil der Kantate 88 »Ich will
viel Fischer aussenden« von J. S. Bach, den hier der Text zur Kompo-
sition einer Barcarole bewog, und das Thema zu Mendelssohns Ouver-
türe »Die schöne Melusine«, das unverkennbar auch den Einfluß der
Tonmalerei durchscheinen läßt. In einem Musikstück wechseln nun
natürlich die drei jetzt besprochenen Darstellungsformen meist mitein-
ander ab; weiterhin greifen die Komponisten, besonders bei Anwesen-
heit eines Textes, zu weniger naturgetreuen Nachahmungen, ähnlich
wie wir es bei der Darstellung des Sturmes ausführlich gezeigt haben;
dann müssen z. B. Tremolos oder Triller das Rauschen nachahmen usw.

Die Darstellung der periodischen und fast symmetrischen Wellen-
bewegung ist musikalisch recht charakteristisch. Dieselben Figuren
und Formen dienen aber auch, die Hin- und Herbewegung der Wiege
in die Musik zu übertragen. In Berceusen und Schlummerliedern
nimmt die Begleitung denn auch meist eine derartige Gestaltung an.
Wir erinnern hier an die Arie: »Schlafe mein Liebster, genieße der
Ruh'« aus J. S.Bachs Weihnachtsoratorium, an die Arie: »Siehe, der
Hüter Israels schläft noch schlummert nicht« aus Mendelssohns Elias,
an das Wiegenlied und Schlummerlied aus R. Schumanns Albumblättern
(Op. 124) für Klavier. In Schuberts »Des Baches Wiegenlied« (Op. 25,
XX) werden dann — wie man sagen könnte — Barcarole und Berceuse
vereinigt; die Möglichkeit dieser Vereinigung folgt eben aus der beiden
gemeinsamen musikalischen Darstellungsform. Die fast durchgängige
Anwendung der besprochenen Figuren in Gondel- und Wiegenliedern
beruht nun nicht allein auf ihrer tonmalerischen Bedeutung, sondern
wird dazu durch die Beobachtung bedingt, daß solche ruhigen und
fast stereotypen Tonbewegungen in Verbindung mit einer gesangvollen
innigen Melodie am leichtesten diejenigen Stimmungen in»uns erwecken,
die mit solchen Vorstellungen verbunden sind.

J) H. Goldschmidt, a. a. O. S. 54 u. 70.
 
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