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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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Mies, Paul: Über die Tonmalerei, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0598
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594 PAUL MIES.

stände war, der Schnelligkeit des musikalischen Instruments nachzu-
folgen«. Monteverdi erfand also das Tremolo. Daß man bei dem
Versuch einer musikalischen Darstellung des Zornes auf bewegte, un-
ruhige Figuren stoßen wird, leuchtet ein; daß Monteverdi aber zum
Tremolo griff, erklärt sich unseres Erachtens folgendermaßen: wie im
Zorne die Stimme und jedes Glied des Körpers zittert und bebt, so
sollen auch die Töne zittern und beben; also behalten eine Anzahl
aufeinander folgender Töne dieselbe Tonhöhe, durch das fortwährende
Unterbrechen und Neuerklingen entsteht ein bebender Ton. Händel
macht in der Arie: »Warum entbrennen die Heiden und toben im
Zorne« aus dem Messias ebenfalls sehr reichlichen Gebrauch vom
Tremolo. Seit Monteverdis Zeiten haben überhaupt alle Komponisten,
von denen die Mehrzahl zweifellos von ihm nichts wußte, wo sie das
Zittern musikalisch malen wollten, zu schnell aufeinander folgenden
Noten derselben Tonhöhe gegriffen. Monteverdi selbst stellt im »Ri-
torno d'UIisse« auf diese Weise das Zittern der Freier dar1); Telemann
läßt die Instrumente ebenso die Worte »zittert im Staube« illustrieren2);
Gluck verwendet derartige Figuren mehrmals: in der Arie des Orest aus
der Iphigenie in Tauris, die mit den Worten beginnt: »Die Ruhe kehrt
zurück«, herrscht eine zitternde Geigenfigur; einer Anekdote gemäß
soll der Komponist so die innere Unruhe Orests haben andeuten
wollen3); eine ähnliche Figur beherrscht das Rezitativ der von der
Megäre verfluchten Armide. In Bachs Werken, z. B. im Weihnachts-
oratorium, dem Rezitativ der Kantate Nr. 70, »Wachet, betet« finden
sich solche Stellen; aus dem letzteren geben wir die Anfangstakte:

56.

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\*ß—a-a—

Erschrecket ihr verstockten Sünder!

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—5—C2—G3~-^--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------3-«-»-«-<j-«-«-«------------------*■

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Von instrumentalen Beispielen erwähnen wir zuerst den Satz aus
Kuhnaus4) biblischer Historie, in dem das Zittern der Israeliten dar-
gestellt wird; als Cantus firmus verwendet der Komponist den Choral:

J) H. Goldschmidt, a. a. O. Beispiel XXII.

2) Siehe Notenbeispiel 46.

3) Bulthaupt, Dramaturgie der Oper I, S. 67.

4) a. a. O. S. 127.
 
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