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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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Mies, Paul: Über die Tonmalerei, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0611
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ÜBER DIE TONMALEREI. 607

mit Überschriften versehenen Concerti grossi G. Muffatsl) (1645—1704);
tonmalerisch überfragt dann, wie früher erwähnt, Muffat in Klavier-
stücken das Hämmern des Schmiedes in die Musik. Damit war er
ein Vorgänger des Franzosen F. Couperin (1668—1733), der allen
seinen Klavierstücken charakteristische Überschriften zu geben suchte;
manche von ihnen wurden zweifellos durch die Tonmalerei bedingt.
Hier gelingt besonders gut die Darstellung solcher Vorwürfe, bei
welchen die damals beliebten Fiorituren und Verzierungen angebracht
sind; wir erinnern an le gazouillement, rossignol en amour usw. Die
meisten der Überschriften stehen aber unseres Erachtens in gar keiner
Beziehung zu der zugehörigen Musik und werden wohl hervorgerufen
sein, wie auch Klauwell2) meint, durch die Praxis der altfranzösischen
Komponisten, ihre Ballets mit Namen zu versehen, die ihnen, wie auch
unseren heutigen Walzern, als Aushängeschild dienen. Nachfolger
Couperins waren J. Ph. Rameau und Gl. Daquin 3) (1694—1772). Allen
diesen an tonmalerischer Kraft überlegen zeigte sich J. Kuhnau in den
biblischen Historien. Alle Gattungen der Tonmalerei zieht er zu Hilfe,
um einen möglichst charakteristischen musikalischen Ausdruck des ge-
stellten Programms zu erzielen. Durch den Einfluß dieses Werks ist
dann wohl die Entstehung des musikalischen Kalenders für das Jahr
'748 von Greg. J. Werner (1695—1766) mit seinen häufig komischen
Tonmalereien zu erklären, den Klauwell4) eingehend bespricht. Ja
s°gar j. s. Bach hat, zweifellos angeregt durch Kuhnau, zwei pro-
grammatische Klavierstücke verfaßt: das »Capriccio sopra la lontananza
del suo fratello diletissimo« mit der Fuge über das Postillonthema,
und die Sonate in D-dur mit der Schlußfuge über das Hennengackern
jmd den Kuckucksruf; freilich nehmen sich diese Beispiele unter der
Unzahl der anderen Werke Bachs merkwürdig aus und verdanken ihr
Entstehen wohl mehr besonders humorvollen Stunden als dem Be-
streben, die Musik nach der darstellenden Seite hin zu entwickeln.

Bevor wir uns zu einer Besprechung der Vokalmusik des 18. Jahr-
hunderts, und zwar hauptsächlich der geistlichen wenden, da wir die
Gper vorweggenommen haben, wollen wir eine besondere Gattung
derselben, deren Ursprung weit zurückreicht, erwähnen, die Passions-
spiele. An gewissen Stellen hatten sich in ihnen dort, wo der Text
es nahelegte, feststehende Tonmalereien eingebürgert, die nicht fehlem
durften; so traten bei den Worten: »et cum eo alios duos hinc et hinc«
aus dem Chor zwei Solostimmen hervor, um die zwei Schacher zu

') D. d. T. i. Ö. XI2 (E. Luntz).

2) Kl. Pr. M. S. 31.

3) KI. Pr, M. S. 57.
*) Kl. Pr. M. S. 59 ff.
 
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