296 WILLY MOOG.
tritt das Gefühlsmäßige stark hervor und es findet ein eigenartiger
Parallelismus statt, indem der mehr menschlich-geistige Vorgang im
Gleichnis steht, also von einer »Versinnlichung« nicht die Rede sein
kann, sondern eher von einer Vergeistigung oder genauer einer Ver-
stärkung des Gefühlsausdrucks. Zweimal wird auf menschliche Be-
schäftigung hingewiesen: bei der Maßbezeichnung V. 2491, so weit
wie ein verständiger Mann, des Zimmerns wohl kundig, den Boden
eines Lastschiffes baut, so groß machte Odysseus das Floß; V. 488 ff.
wie wenn einer Feuer in Asche verbirgt, so umhüllte sich Odysseus
mit Blättern. Die Gleichnisse dieses Gesanges sind alle ziemlich kurz,
aber eigenartig und selbständig durchgeführt, jedenfalls in ihrem Cha-
rakter verschieden von denen der llias; sie sind sozusagen mensch-
licher und geistiger.
Im 6. Buche haben wir noch ein Gleichnis, das vom Löwen handelt
(V. 130 ff.), wenig selbständig und nicht reich an Handlung, etwas unbe-
stimmt (drei Objekte durch ^..'.^ verbunden). Es scheint mir charakte-
ristisch, daß von den fünf Gleichnissentier Odyssee (in der llias wird er
in zweiunddreißig genannt), in denen der Löwe eine Rolle spielt, vier
sich auf Odysseus beziehen. Der Dichter will ihn damit wohl als
die Hauptperson, als einen Kämpfer, einen Helden hervorheben und
bedient sich dazu des Bildes, das für ihn schon traditionell und seiner
Anschauungsweise fremd war. Einmal bezieht sich ein Gleichnis vom
Löwen auf Penelope (Od. 4, 791). Der kurze Vergleich »wie ein Löwe«
kommt in der Odyssee einmal vor mit Bezug auf den Kyklopen, in
der llias wird der Löwe zwölfmal in Vergleichen erwähnt. Die Gleich-
nisse des 6. Buches dienen zur Bezeichnung der Gestalt und des Aus-
sehens, und zwar gelten zwei dem Odysseus, zwei der Nausikaa.
V. 102 ff. wird Nausikaa in einem lang ausgeführten Gleichnis mit
Artemis verglichen. Der gewöhnliche kurze Vergleich »wie Artemis«
ist hier zu einem lebensvollen Bild geworden. In der llias sind längere
Gleichnisse, in denen Menschen mit Göttern verglichen werden, sehr
selten (nur von Ares handeln drei). Es gehört dazu eine Vermensch-
lichung des Göttlichen1), die erst auf einer ziemlich hohen Kulturstufe
möglich ist. Auch die Gleichnisse, in denen eine mythische Geschichte
erzählt wird, sind durchaus nichts Primitives. Ein ganz individuell zu-
gespitztes Gleichnis ist Od. 6, 160 ff. Odysseus geht von einem per-
sönlichen Erlebnis aus, er spricht von der Palme auf Delos und ver-
gleicht mit ihr dann Nausikaa. V. 232 ff. gießt Athene Anmut über
Odysseus aus, wie wenn jemand Gold mit Silber umgießt (das Gleichnis
') Vgl. Franz Winter (Gercke-Norden, Einleitung in die AHertumswissensch. II,
S. 165 f).
tritt das Gefühlsmäßige stark hervor und es findet ein eigenartiger
Parallelismus statt, indem der mehr menschlich-geistige Vorgang im
Gleichnis steht, also von einer »Versinnlichung« nicht die Rede sein
kann, sondern eher von einer Vergeistigung oder genauer einer Ver-
stärkung des Gefühlsausdrucks. Zweimal wird auf menschliche Be-
schäftigung hingewiesen: bei der Maßbezeichnung V. 2491, so weit
wie ein verständiger Mann, des Zimmerns wohl kundig, den Boden
eines Lastschiffes baut, so groß machte Odysseus das Floß; V. 488 ff.
wie wenn einer Feuer in Asche verbirgt, so umhüllte sich Odysseus
mit Blättern. Die Gleichnisse dieses Gesanges sind alle ziemlich kurz,
aber eigenartig und selbständig durchgeführt, jedenfalls in ihrem Cha-
rakter verschieden von denen der llias; sie sind sozusagen mensch-
licher und geistiger.
Im 6. Buche haben wir noch ein Gleichnis, das vom Löwen handelt
(V. 130 ff.), wenig selbständig und nicht reich an Handlung, etwas unbe-
stimmt (drei Objekte durch ^..'.^ verbunden). Es scheint mir charakte-
ristisch, daß von den fünf Gleichnissentier Odyssee (in der llias wird er
in zweiunddreißig genannt), in denen der Löwe eine Rolle spielt, vier
sich auf Odysseus beziehen. Der Dichter will ihn damit wohl als
die Hauptperson, als einen Kämpfer, einen Helden hervorheben und
bedient sich dazu des Bildes, das für ihn schon traditionell und seiner
Anschauungsweise fremd war. Einmal bezieht sich ein Gleichnis vom
Löwen auf Penelope (Od. 4, 791). Der kurze Vergleich »wie ein Löwe«
kommt in der Odyssee einmal vor mit Bezug auf den Kyklopen, in
der llias wird der Löwe zwölfmal in Vergleichen erwähnt. Die Gleich-
nisse des 6. Buches dienen zur Bezeichnung der Gestalt und des Aus-
sehens, und zwar gelten zwei dem Odysseus, zwei der Nausikaa.
V. 102 ff. wird Nausikaa in einem lang ausgeführten Gleichnis mit
Artemis verglichen. Der gewöhnliche kurze Vergleich »wie Artemis«
ist hier zu einem lebensvollen Bild geworden. In der llias sind längere
Gleichnisse, in denen Menschen mit Göttern verglichen werden, sehr
selten (nur von Ares handeln drei). Es gehört dazu eine Vermensch-
lichung des Göttlichen1), die erst auf einer ziemlich hohen Kulturstufe
möglich ist. Auch die Gleichnisse, in denen eine mythische Geschichte
erzählt wird, sind durchaus nichts Primitives. Ein ganz individuell zu-
gespitztes Gleichnis ist Od. 6, 160 ff. Odysseus geht von einem per-
sönlichen Erlebnis aus, er spricht von der Palme auf Delos und ver-
gleicht mit ihr dann Nausikaa. V. 232 ff. gießt Athene Anmut über
Odysseus aus, wie wenn jemand Gold mit Silber umgießt (das Gleichnis
') Vgl. Franz Winter (Gercke-Norden, Einleitung in die AHertumswissensch. II,
S. 165 f).