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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 13.1919

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Klopfer, Paul: Das räumliche Sehen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3622#0140
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V.

Das räumliche Sehen.

Von

Paul Klopfer.

Die Gleichgültigkeit des Publikums gegenüber dem Schaffen der
Baukunst liegt wohl zum größten Teil in seiner Unkenntnis dessen,
was die Baukunst als Raumbildnerin überhaupt zeigen will. Das, was
die breite Masse am Bauwerk an- oder aberkennt, beschränkt sich zu-
meist doch nur auf das Drum und Dran an dem Hauskörper, auf
Malerei, Keramik, Plastik — nie, oder nur äußerst selten, auf das Ganze
der Form, womöglich innerhalb der Umgebung.

Bis vor zwanzig und weniger Jahren ist der Architekt selbst ja
auf solcherlei Wertmessung hingewiesen worden — ist er gelehrt
worden, mit Hilfe von renaissancistischem oder barockem Beiwerk
eine Fassade zu entwerfen und der derzeitigen Bauaufgabe Formen-
flitter längst vergangener Stilzeiten aufzusetzen und anzuhängen.

Auch die einseitige Bevorzugung der Erfüllung und Beachtung der
wirtschaftlichen Anforderungen des Bauprogramms an den Haus-
plan schuf keine Besserung: nur noch lockerer hing die Form über
dem Inhalt.

Erst der Hinweis auf die Forderungen des Stadtbaues, also des
Straßen- und Platzbildes, schob die ganze Frage des Bauschaffens und
Bausehens in einen neuen Gesichtswinkel. Das Haus, die Fassade,
durfte nicht als solche behandelt werden, sondern als Teil des Straßen-
oder Platzraumes.

Aber auch hier versagt das ungewohnte Auge zumeist. Es muß
also wieder angelernt werden, daß es nicht mehr (zunächst) nach dem
Verzierten sucht, sondern sich gewöhnt, das Ganze — und dieses im
umgebenden Raum — und dann erst das Einzelne als Teil des Ganzen
zu erkennen.

Zum Erkennen der architektonischen Schönheit gehört, wie zu
allem tiefen Genießen des Schönen, ernste Arbeit. Ist das Wesen des
Sehens im Räume uns zu eigen geworden, dann wird unser Auge
uns ganz unbewußt von selbst das Schöne finden, und oft werden
 
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