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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 13.1919

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Klopfer, Paul: Das räumliche Sehen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3622#0154
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DAS RÄUMLICHE SEHEN. 149

nutzung des Grund und Bodens, der in die enge Mauer gespannt
ist nach allen zulässigen Möglichkeiten, Dezentralisierung des Markt-
verkehrs und damit Anlage von vielen kleinen Plätzen oder bloß aus-
gebauchten Straßen, dadurch aber: behagliches tieferund tiefer Führen
des suchenden und spähenden Blickes durch Straße und Gasse von
einer kleinen Überraschung in die andere, meist ständig wechselnde
Tastbilder, seltener Ruhebilder und dann solche mit durchaus verti-
kaler Tendenz.

Auch hier also finden wir die beiden großen Gegensätze, die wir
oben innerhalb der Betrachtung des frontalen Ruhebildes schon er-
kannt haben: daß die Ruhe im Räume durch die Senkrechte, die Be-
wegung durch die Wagrechte zum Ausdruck kommt — diesen ihren
Eigenschaften entsprechen denn auch die Raumausdehnungen: hoch
und breit.

Höhe und Breite bilden die Fläche. Die Tiefe als eigentliche
Raumdimension hat unser Auge auf das Flächenbild zu führen. Wie
unterhaltsam sie das machen kann, haben wir ja wiederholt gesehen.

Als Wertfaktoren innerhalb der drei Dimensionen aber haben wir
Symmetrie, Reihung und Harmonie erkannt: die Symmetrie als Aus-
drucksmittel für die nach oben strebende, Ruhe heischende Vertikale,
die Reihung in horizontaler Richtung, und zwar sowohl in der Breite
wie in der Tiefe als Richtung wirkend; Höhe, Breite und Tiefe aber
vereint in der Harmonie, dem Bau jene Einheit in der Vielheit gebend,
die ihn erst zum Ganzen und Selbständigen stempelt, mag es nun ein
Haus sein oder eine Straße, ein Platz oder eine ganze Stadt1).

') Vgl. Semper I, XXIV ff.
 
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