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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 15.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.3623#0350
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346 BESPRECHUNGEN.

Entwicklung so, daß man die anfänglich sehr langgestreckten Seitenfluchten, wo es
angängig erschien, zugunsten einer konzenfrierteren Wirkung zusammenzog, also
ihre Länge in bezug auf die Höhe der Ordnung um einiges kürzte. Diese letztere
war aber gegeben durch ihr notwendig rationales Verhältnis zur Breitenausdehnung
der Stirnseite. So ergab sich das Bedürfnis, Breite und Länge des Peripterons in
ein bestimmtes Verhältnis zueinander zu setzen, ohne daß dazu eine perspektivische
Ansicht des Tempels, welche die beiden Seiten verbindet, oder die Rücksicht auf
den Innenraum der Cella, der oft eine ganz andere Proportionierung zeigt, notwendig
den Anlaß gegeben haben müßte.

Obgleich der ursprünglichen Konzeption des architektonischen Bildes auf diese
Weise ziemlich enge Grenzen gesetzt waren, blieben doch noch unzählige Variations-
möglichkeiten. Die Erschaffer des Peripteraltempels müßten aber nicht Griechen
gewesen sein, wenn ihre Schöpfungen nicht überall das Bestreben kündeten, auch
diese geringen noch möglichen Verschiebungen der Dimensionen und der Ponderie-
rung (es handelt sich ja hier nur um verfeinernde Nacharbeit, nachdem die Gesamt-
form durch die Arbeit von Generationen schon kanonisch festgelegt war) nicht dem
Zufall oder der gefühlsmäßigen Eingebung zu überlassen, sondern gerade durch sie
in jedem einzelnen Bauwerk eine übergeordnete Gesetzlichkeit zu proklamieren.
Weltordner ist die Zahl, das Zeichen ihres Wirkens das klare, auf einfache Grund-
zahlen zurückzuführende Verhältnis der Teile untereinander und zum Ganzen. Es
ist wohl von einiger Bedeutung, daß wir in der ältesten eigentlich griechischen
Schöpfung, dem geometrischen Stil, zu Anfang des I. Jahrtausends vor Christi die
gleichen rechnerisch festzustellenden Tatsachen antreffen (Mitteil. d. d. archäol. In-
stituts, Athenische Abt. XXXXIII, 1918, S. Sl ff.).

Hier setzen nun die »Beiträge« Max Theuers ein, der in größtenteils einwand-
f reier Weise noch einmal die Proportionierung von 27 dorischen Peripteraltempeln
untersucht hat und nun das Resultat in leicht nachzuprüfenden Berechnungen vor-
legt. Die historischen und kritischen Grundlagen, auf denen seine Forschung
beruht, sind freilich in einzelnem recht anfechtbar, sehr zweifelhaft sogar seine ge-
legentlichen Versuche vom Besonderen zu allgemeinen historischen Zusammenhängen
vorzudringen; das vorliegende Material dürfte zu solchen Schlüssen auch noch nicht
genügen. Diese Mängel zu behandeln ist hier nicht der Ort. Es sollen daher in
folgendem nur einzelne bedeutsame Erscheinungen, die aufzuzeigen Theuer ge-
lungen ist, angeführt werden.

Zunächst die Grundrißgestaltung. Es entspricht völlig der oben gegebenen
Skizze für die Entstehung des Peripteraltempels, daß das einfache Grundverhältnis
zwischen Länge und Breite (L x B) nicht etwa im eigentlichen Naos, sondern in
der Peristase und zwar entweder im Stylobat oder im Stereobat enthalten ist. Solche
Verhältnisse sind: 2x5,3x7,3x8,4x9,5x11,5x12,7x15,9 x 19, 12 x 25.
Stets übertrifft die Länge die doppelte Breite um ein bis zwei Einheiten. Theuer
bringt diese beiden Fälle auf die Formeln n x (2n + 1) und n X 2 (n + 1) und
stellt fest, daß die Länge aus der Summe zweier aufeinanderfolgender Zahlen ent-
weder der Reihe 1+2 + 3 + 4 + 5----------oder der Reihe 1+3 + 5 + 7 + 9----------

gebildet ist (S. 59). Es scheint jedoch nicht überflüssig, auf eine Beziehung hinzu-
weisen, die dem griechischen Denken mindestens ebenso nahe lag wie diese
Zahlenreihen: die Beziehung der Innenwinkel gleichseitiger Vielecke untereinander.
Denn der Innenwinkel eines gleichseitigen Dreiecks verhält sich zu der Summe eines
(gleichseitigen) Dreiecks- und eines Viereckswinkels wie 2x5, der letztere zu der
Summe eines Vierecks- und (gleichseitigen) Fünfeckswinkels wie 5x11 und zu der
Summe eines Vierecks- und eines (gleichseitigen) Sechseckswinkels wie 3 X 7 und
 
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