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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 15.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.3623#0355
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BESPRECHUNGEN. 351

durchglüht von der Bedeutung, die sie greifbar besitzen in dem Zeitaugenblick,
den wir mit ihnen erleben. Das ist der metaphysische Wert der Farbe, der nicht
vermindert wird durch die Tatsache, daß wir im allgemeinen, unwissenschaftlichen
Denken den Dingen eine ständige Eigenfarbe zuschreiben.

Der Sinn der Farbe liegt darin, daß sie, wo sie an Dingen erscheint, unseren
Geist vom Sinnlichen zum Unsinnlichen und zum Übersinnlichen fortleitet, und
hierauf beruht der selbständige Formwert, den die Farbe im Gebiet der Kunst be-
sitzt. Immer aber vermittelt sie uns in der Kunst durch ihre Formung die Idee,
die in der Welt außer uns liegt.

Dem Spielen reiner, ganz beziehungslos dargebotener Farben, ebenso wie
einem Gemälde, das nur eine bestimmte Farbenstimmung vermittelt, fehlt es daher
an der Idee, die dem Gefüge von Tönen, die ja selbständiger Ausdruck von Seeli-
schem sind, unvermittelt innewohnt. Die Empfindungen, die reine Farbspiele un-
mittelbar erregen, können daher nur im Gebiete des Angenehmen liegen; das
geistige Erlebnis, das ein Kunstwerk auslöst, ruht auf anderer Grundlage.

Die Töne bedürfen also keiner Abstraktion, sie sind unvermittelt Ausdruck
von Seelischem, und daher, ohne weiteres, brauchbare Elemente von Kunstgefügen;
die Farben erhalten erst allmählich ihre Loslösung von den Dingen, und erst ver-
mittelt ihr seelisch-geistiges Gesicht'), darauf beruht es, nach unserer Meinung, daß
es eine reine Farbkunst, im höheren Sinne der Kunst, nicht geben kann.

Berlin.

Margarete Calinich.

Hans Joachim Moser, Geschichte der deutschen Musik in zwei Bänden.
1. Bd. Von den Anfängen bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Stutt-
gart 1920, J. G. Cotta'sche Buchhandlung. XVI, 519 S. gr. 8".
Mosers inhaltsreiches Werk gehört zu den wenigen, die empfohlen werden
können, wenn — wie so oft — der Fachmann nach einer wissenschaftlichen und
doch lesbaren und für weitere Kreise anregenden Musikgeschichte gefragt wird.
Ich denke dabei hauptsächlich an die frischen und reizvollen Schilderungen des
musikalischen Lebens in Kloster, Schloß uud Burg, in Dorf, Stadt, Kirche, Schule
und Haus. In den rein musikalischen Abschnitten hat sich der Verfasser mit dem
schwierigen Problem herumschlagen müssen, lebendige Vorstellungen von Kunst-
werken zu geben, die der Leser nicht kennt und nicht kennen lernt. Der Literar-
historiker tischt Versproben auf, der Kunsthistoriker wartet mit photographischen
Abbildungen auf, — der Musikhistoriker kann günstigenfalls ein paar Notenbeispiele
bringen, die dem Musiker nur selten einen Begriff geben, dem Laien aber niemals.
Wir werden deswegen mit volkstümlichen Darstellungen, die über das Biographische
hinausstreben, immer im Hintertreffen bleiben. Muß hier der Leser Mosers Aus-
führungen in allem nur auf Treu und Glauben hinnehmen, so wird er auf jeden
Fall das deutliche Bild einer Entwicklung davontragen, die sich ebenbürtig neben
die von Kunst und Dichtung stellt. Die nationale Abgrenzung des Themas tut der
Darstellung keinen Abbruch. Im Gegenteil: das Gemälde wird wesentlich klarer,

') Ich möchte, zur Verdeutlichung dessen, was hier über den seelischen Wert
der Farben gesagt ist, und über die Idee im Kunstwerk, hinweisen auf zwei früher
von mir veröffentlichte Arbeiten:

1. Versuch einer Analyse des Stimmungswerts der Farbenerlebnisse. Archiv

f. d. ges. Psychol. Bd. XIX, Heft 1/2.

2. Über das Anekdotische in der Malerei. Diese Zeitschrift Bd. XI.
 
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