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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

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Wellek, Albert: Das Doppelempfinden in der Geistesgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0048
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ALBERT WELLEK.

und nur Personen sind (Tropik), oder Dinge, Personen und Eigen-
schaften von Dingen und Personen durcheinander und untereinander
(Personifikation und Symbolik); oder ob nun eine Gleich-
setzung zwischen den beiden verglichenen Seiten glatt ausgesprochen und
verkörpert wird oder nur in einer bewußt hypothetischen Wendung ange-
deutet und also bei der Ähnlichkeit haltgemacht wird, — das macht
grundsätzlich nicht den mindesten Unterschied des Gehalts aus, sondern
nur der Form. Gewiß setzt das letzte mehr Bewußtheit oder „Zensur",
das erste mehr Naivität und kindliche Einbildungskraft voraus. Dieselbe
psychologische Verknüpfung zweier Vorstellungselemente, die auf primi-
tiverer, mythenbildender Entwicklungsstufe sich zur Personifikation ge-
staltet, führt auf sentimentaler, reflexionsreicherer Stufe zum dichteri-
schen Vergleich. Beides ist Symbolik; Symbolik aber setzt die Annahme
oder Erfühlung einer Ähnlichkeit und Gemeinsamkeit, oder sonst irgend-
einer notwendigen Beziehung zwischen dem Symbolisierten und dem Sym-
bol, voraus: eine symbolische Verschwisterung etwa von Farbe und
Ton bedeutet also gar keine wesentlich andere Beziehung zwischen ihnen
beiden als jene im durchschnittlichen Farbengehör, worin sich die Farbe
dem Ton unwillkürlich assoziiert und so zu seiner Vertretung wird, mithin
abermals zu seinem Symbol. In diesem Sinne urteilt schon A n -
schütz44), daß „alle Farben- und Formengebilde, die der Synoptiker
bei sich erlebt", Symbole seien. Umso offenkundiger wird dies natürlich,
je mehr hierin das Denken und Fühlen der Entsprechungen vorwaltet,
d. h. eben das nämliche Ähnlichkeitsbewußtsein, auf dem auch alle Sym-
bolik beruht.

Wenn man nun von psychologischer wie literarischer Seite nie An-
stand genommen hat, nach den synästhetischen Wendungen und Verglei-
chen eines Schriftstellers irgendein Verhältnis zum Doppelempfinden bei
ihm anzunehmen (denn wie sollte er sonst wohl dazu gelangt sein?) —
ja, wenn Ottokar Fischer sogar bis zu der genaueren psychophysiolo-
gischen Beschaffenheit dieses Doppelempfindens des Autors vordringen
zu können meinte, so können und müssen überhaupt alle Arten von syn-
ästhetischer Symbolik, Personifikation, Mythologie, Mystik im selben
Sinne als Indizien nicht einer persönlichen, aber einer allgemeineren, in
der Empfindungsweise einer ganzen Zeit oder Volkheit gelegenen syn-
ästhetischen Disposition gewertet werden. Mit Recht hat anderseits schon
B 1 e u 1 e r45) auf die Allgemeinmenschlichkeit des Doppelempfindens
einfach daraus geschlossen, daß man sonst in der Poesie nicht malen
„und Ausdrücke von einem Sinnesorgan in verständlicher
Weise auf das andere übertragen" könnte. Denn wenn auch die „Ver-

44) Kurze Einführung S. 29. (S. oben.)

45) A. o. a. O.
 
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