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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0099
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BESPRECHUNGEN.

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möchte „den Betrachter dazu veranlassen, vor antike Originale zu treten". Sie
bietet aber in Wirklichkeit mehr, indem sie die Hauptphasen der antiken Kunst in
der Tat anschaulich charakterisierend zusammenfaßt. Jeder, der mit diesen Dingen
etwas vertraut ist, wird die verdienstvolle Leistung würdigen, die schon allein darin
liegt. Bedauerlich ist es daher, daß die Verlagsanstalt in der technischen Wieder-
gabe der ausgewählten Vorbilder durchaus nicht überall mitgekommen ist. Hier
fällt eine große Ungleichmäßigkeit auf. Neben solchen Klischees, die aus der Vor-
lage wirklich alles herausholen, was in dieser Technik möglich ist (z. B. 238, 572),
erscheinen andere, bei denen man sich fragt, wie sie überhaupt stehen bleiben konn-
ten (532, 590, 645). Das Bestreben, die durch das kalkige Weiß des Papiergrundes
bedingte Kälte des Bildes durch Tönung zu mildern, ist an und für sich anerken-
nenswert. Aber ein Schwefelgelb, wie es hier für Qoldsachen (145,148 f.) gelegent-
lich gewählt ist, oder ein fahles Grün bei Marmorwerken (438), wirkt eher ab-
schreckend. Elfenbeinton des Papiers und bräunlicher Druck, wie es in vorbild-
licher Weise z. B. in der italienischen Kunstzeitschrift „Dedalo" durchgeführt ist,
scheint hier unserem heutigen Geschmack noch am meisten entgegenzukommen.

Solche Mängel der Ausstattung, die sich naturgemäß bei einem Werke, das
gerade mit diesen Mitteln wirken soll, etwas peinlich fühlbar machen, doppelt pein-
lich in ihrem offensichtlichen Kontrast zu der Sache selbst und zu der vornehmen
Haltung des Textes, kann nur die breite und wahrhaft großzügige Basis, auf die
das Ganze gestellt ist, mildern und ausgleichen. Zum Glück für die Sache und
alle, denen an ihr gelegen ist, ist daher trotz allem damit zu rechnen, daß der im
Vorwort ausgesprochene Wunsch des Verfassers in recht weitem Umfange sich
erfüllt.

Was an dieser Stelle aber natürlich in erster Linie interessiert, ist der Text.
Auf weniger als 80 Seiten eine Geschichte der ganzen antiken Kunst zu schreiben,
einen so riesigen Stoff von unerschöpflicher Problematik in einem so knappen Rahmen
zu spannen, das erfordert in der Tat mehr noch als einen weiten Gesichtskreis und
als völlige Beherrschung des Gegenstandes eine Diszipliniertheit höchsten Grades
in der Sache wie in der Form. Die aber eignet gerade dem Verfasser in solchem
Maße, daß wir nicht anstehen, hierin den Hauptreiz des Buches und die beste
Gewähr für seine Wirkung zu erblicken. Die gepflegte Sprache ist nur das äußere
Zeichen dafür. In der Auswahl der Erscheinungen, die zur Erörterung kommen, in
ihrer Verknüpfung, vor allem aber in der klaren Herausstellung dessen, was einem
unverbildeten und ohne Vorurteile an die Dinge herantretenden Menschen von heute
an ihnen wesentlich ist, äußert sich wirklich mehr als bloß eine glückliche Hand und
eine große didaktische Begabung. Der Forscher, der heute nun einmal gezwungen
ist, mehr oder weniger Spezialist zu sein, hat in der Regel die Fähigkeit, sich zu
wundern, verlernt und muß sich erst mit großer Mühe und Selbstverleugnung wie-
der zu ihr hinfinden. Dadurch erklärt sich der bedauerliche und angesichts der
heute von vornherein besonders günstigen Situation doppelt empfindliche Mangel
von guten populären Schriften auf dem Gebiete der Altertumswissenschaft in
Deutschland. Daher ist es aber auch umso freudiger zu begrüßen, wenn einmal so
glücklich wie hier die Herrschaft über die Sache und über die Form in einem Manne
sich vereinigt. Die sichere und prägnante Art, wie der riesige Stoff zu einem
Ganzen geformt ist, verbietet von vornherein jedes Eingehen auf Einzelheiten. Es
ist ähnlich wie bei der Auswahl der Bilder: man kann sagen, daß der objektive
Wert hier wesentlich in der persönlichen Note begründet ist. Die eigene gelehrte
Forschung des Verfassers, die er an anderer Stelle niedergelegt hat, steht überall
hinter seiner Darstellung und formt sich hier zu einem Ganzen. Er gibt nur das,
 
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