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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 23.1929

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Beck, Maximilian: Die neue Problemlage der Ästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.14175#0328
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MAXIMILIAN BECK.

zu einer wertindifferenten Bestimmtheit degradiert. Nämlich zu einer Be-
stimmtheit, die nur eine besonders günstige Realisierungsbedingung der
Schönheit selbst ist. Man reserviert den Ausdruck „schön" nur für jene
besondere Art der harmonischen, leicht zugänglichen Schönheit, wie sie
uns etwa an den Werken des Praxiteles, Raffael, Mozart oder an „wohl-
geformten" Gegenständen der Natur wie Blumen, Kristallen etc. entgegen-
tritt. Und nun koordiniert man dieser „Schönheit" das „Monumentale"
von Beethoven, Michelangelo und das „Charakteristische" von Velasquez
und Franz Hals und das „Herbe" einer nordischen Herbstlandschaft
u. dergl., als wäre dies alles nicht „schön". Nun kann ich aber sowohl
das Wohlgeformte, Harmonische wie auch das Monumentale, Herbe,
Charakteristische in isolierender Abstraktion erfassen, ohne das ästhetische
Wertphänomen mit zu schauen. Dieses eigentliche Wertphänomen muß
noch in seiner eigensten Totalität zu diesen Bestimmtheiten selbst hinzu-
treten, um da zu sein. Und es tritt stets als Identisches zu den verschie-
densten derartigen Bestimmtheiten hinzu. Und zwar charakterisiert es
sich selbst nicht als ein irgendwie spezifisches Quid oder Quäle, sondern
als pure Bejahung jener Bestimmtheiten, an und mit denen es sich
realisiert. Das eigentliche Wertphänomen liegt in einer ganz und gar
andern D i m e n s i o n als jegliche Bestimmtheit. Da es keine Bestimmt-
heit, kein Was und kein Wie, kein Wesen ist, ist es schwer, darüber irgend-
welche Aussagen zu machen. Es läßt sich nur umschreiben, etwa als
Fülle der Konkretion, als jubelndes Jasagen der Wirklichkeit, als Da-
seins 1 u s t — ja als das eigentliche Wirklichsein zum Unterschiede
vom bloßen Was- oder Wiesein, d. i. vom bloßen Wesen. Man denke
etwa daran, daß selbst das 1 e i d v o 11 s t e pure Wirklichsein als solches
noch als unendlicher Wert erkannt wird im Vergleiche mit einem seligen
Sein im Reiche der „Schatten". Das eigentliche Wertphänomen ist — im
Gegensatz zur Sphäre der Wesen als der Sphäre des Rationalen — das
Irrationale in eigenster Person. Es ist das allem rationalen Ver-
stehen der verschiedenen Was und Wie und deren notwendigen und ein-
sichtigen Zusammenhängen radikalen Widerstand entgegensetzende pure
Daß des Seins. Womit aufleuchtet, daß seine Problematik sich völlig
der Wesensphänomenologie entzieht und gerade darin ihren Ort hat,
wovon die Wesensphänomenologie absieht: in der Realität als solcher,
d. i. im Bereiche der O n t o 1 o g i e oder Metaphysik. Zu dem
gleichen Resultat gelangen wir noch durch eine andere Betrachtung.

Ästhetik ist Wissenschaft vom Schönen. Sie kann sich so wenig wie
jede andere Wissenschaft ihre Probleme wählen. Sie sind ihr vorgegeben
kraft der Natur ihres Erkenntnisgegenstandes. Damit ist gesagt: Die
Ästhetik darf sich ihren spezifischen Gegenstand nicht derart zurecht-
stutzen und zurechtkonstruieren, daß sie an Stelle des Schönen etwa das
 
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