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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0112
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BESPRECHUNGEN.

eine solche der elaboratio. Die Erklärung sucht Professor Schering in der seit dem
Mittelalter geltenden Lehre, daß die ratio für den Musiker das Entscheidende sei.
Erst in der romantischen Periode beginnt die Hochschätzung der Originalität.
Professor Dessoir lenkt die Aufmerksamkeit auf den Umstand, daß die ratio nicht
als Urheber der elaboratio betrachtet wird, wie wir es erwarten müßten, sondern
daß gerade die inventio mit ihr in Verbindung gebracht wird. Er sieht den Grund
in der älteren Auffassung des Themas als einer Kombination von Töne-Elementen;
sobald man das Thema als Ganzheit betrachtet, muß sich ein Wandel in der
Deutung der inventio vollziehen. — Die Veranstaltungen des Sommer-Semesters
fanden ihren Abschluß in einem Vortrag von Dr. Kurt Joachim Grau über: „Ästhe-
tische Gesichtspunkte in der Charakterologie" (am 5. Juli), der in feiner Analyse
und klarem Aufbau eine enge Beziehung zwischen Ästhetik und Charakterkunde
herauszustellen versuchte und dabei das Problem des ästhetischen Menschen in den
Vordergrund rückte. Demgegenüber betont Professor Dessoir, daß der ästhetische
Mensch kein Mittelpunktsproblem der Ästhetik sei. Eine zwingende Verbindung
zwischen Ästhetik und Charakterologie" sieht Professor Dessoir nicht; dieselben
Dinge: ein Lächeln, die Art des Gehens können sowohl ästhetisch als auch charak-
terologisch ausgedeutet werden; ästhetisch wichtig sind sie nur dann, wenn eine
bewußt ästhetische Gestaltung vorliegt. Dr. Ziegenfuß weist auf die Möglichkeit
hin, Charakterologie zur Hilfswissenschaft für die Kunstwissenschaft zu machen;
vielleicht wäre unter Heranziehung der Charakterologie am Kunstwerk zu zeigen,
wie Stil sich verschieden auswirkt und gestaltet.

Berlin. Gertrud Jung.

Vierter Kongreß für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft

Der IV. Kongreß für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft findet Anfang
Oktober 1930 in Hamburg statt. Das im Mittelpunkt stehende Problem, um das
sich die Verhandlungen gruppieren werden, ist das der Gestaltung von Raum und
Zeit in der Kunst. Die Einteilung ist vorläufig folgendermaßen gedacht: an erster
Stelle soll in drei Vorträgen die philosophische Problematik von Raum und Zeit
behandelt werden. Es ist bereits ein Vortrag von Prof. Ernst C a s s i r e r über „Mythi-
scher, ästhetischer und theoretischer Raum" und ein anderer Vortrag von Prof.
Albert G ö r 1 a n d über „Die Modi der Zeit als stilbildende Faktoren" vorgesehen.
Dann folgen drei psychologische Vorträge über Raum und Zeit in der Kunst des
Kindes, der Primitiven und der Geisteskranken. Drei weitere Vorträge sollen das
Raum- und Zeitproblem in der bildenden Kunst behandeln, ebenso viele dasselbe
Thema im Hinblick auf die Dichtung und die Musik. Im Anschluß an die Ver-
anstaltungen des Kongresses wird Prof. Georg Anschütz eine Ausstellung von
Bildmaterial zu seinen synästhetischen Forschungen veranstalten. Des weiteren
sind noch drei Vorträge über allgemeine Fragen im Zusammenhang mit den Kon-
greßverhandlungen geplant. Außer den oben genannten Hamburger Gelehrten
haben ihre Mitwirkung zugesagt die Herren Max Herrmann (Berlin), Wilhelm
Pinder (München), Ferdinand Josef Schneider (Halle) und Karl Voßler
(München). Eine beklagenswerte Lücke ist durch das jähe Ableben Prof. Aby
Warburgs entstanden, der einen Vortrag über das „Transitorische" halten
wollte. — Das Aprilheft wird nähere Angaben über die Ausgestaltung des
Kongresses bringen. — Anfragen, den Kongreß betreffend, sind zu richten an den
Schriftführer des Hamburger Ortsausschusses, Privatdozenten Dr. Hermann
Noack, Hamburg 39, Gryphiusstraße 3.
 
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