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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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Solowjoff, Wladimir: Die Schönheit in der Natur
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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0113
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I.

Die Schönheit in der Natur.:)

Von

Wladimir Solowjoff.

Die Schönheit wird die Welt
erretten. (Dostojewsky.)

Es scheint merkwürdig, die Rettung der Welt der Schönheit aufzu-
erlegen, wo es doch notwendig ist, die Schönheit selbst vor künstlerischen
und kritischen Versuchen, die sich bemühen, das ideale Schöne durch das
reale Häßliche zu ersetzen, zu retten. Aber wenn man sich durch die
groben und zuweilen ganz abgeschmackten Äußerungen des neuesten
ästhetischen Realismus (und Utilitarismus) nicht verwirren läßt, sondern
in den eigentlichen Sinn seiner Forderungen eindringt, so wird sich doch
in ihm eine unwillkürliche und widerspruchsvolle, aber desto wertvollere
Anerkennung der universalen Bedeutung der Schönheit erweisen; ihre
scheinbaren Verfolger teilen ihr erst recht die Aufgabe der Weltrettung zu.
Die reine Kunst, oder die Kunst um der Kunst willen, wird als ein
müßiger Zeitvertreib abgelehnt, die ideale Schönheit wird als eine will-
kürliche und nichtige Verzierung der Wirklichkeit verachtet. Folglich wird
verlangt, daß die wahre Kunst eine wichtige Angelegenheit
sei, also wird der wahren Schönheit die Fähigkeit, tief und stark auf die
reale Welt zu wirken, zugetraut. Wenn man die Forderungen der neuen
Ästhetiker (der Realisten und Utilitaristen) von den logischen Wider-
sprüchen, in die sie sich gewöhnlich verstricken, befreit und diese Forde-
rungen zu einer zusammenfaßt, so ergibt sich folgende Formel: das
ästhetisch Schöne muß zur realen Verbesserung der Wirk-
lichkeit führen. Diese Forderung ist vollkommen gerechtfertigt, und
überhaupt hat die ideale Kunst sie auch nie abgelehnt, auch die alten
Ästhetiker haben sie anerkannt. So soll z. B. die Tragödie des Altertums,
nach Aristoteles (in seiner Poetik), eine wirkliche Verbesserung der
menschlichen Seele durch ihre Läuterung (y.d-DaQoig) hervorrufen.

Eine ähnliche real sittliche Wirkung schreibt Plato (in der „Repu-
blik") einigen, den Mut stärkenden Arten der Musik und Lyrik zu. An-
dererseits übt die künstlerische Plastik, abgesehen von ihrem ästhetischen

!) Aus einem 1889 in russischer Sprache erschienenen Aufsatz übersetzt von
Ernst Keuchel.

Zeitschr. für Ästhetik u. alle. Kunstwissenschaft. XXIV. 7
 
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