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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0158
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BESPRECHUNGEN.

durch den Realismusstreit verschärft wird. Kann man diese „Universalien", die
Typen oder Gattungen als primär gestaltende Formen neben und über den
Individuen ansehen? Verf. weist auf die unbegrenzte Interpolierbarkeit des Singu-
laren hin, auf die Wandelbarkeit und Flüssigkeit der Zwischenstufen (Typen) und
ihre Verhaftung mit Wertungen. Er weist andererseits auf die charakterologische
Unentbehrlichkeit der Typen hin. Er kommt zu einem maßvollen Aristotelismus;
Gattungen und Typen sind nur „zweite Substanzen" — in re, ja sogar post rem
im Sinne des Nominalismus. Dennoch sind sie keine bloßen willkürlichen und
subjektiven Zusammenfassungen; wenn sie auch keine vom Individuum losgelöste
wesensmäßige Existenz oder Geltung haben, so ist es doch oft so, daß die Typen
als Voraussetzung die Individuen formen und in ihren Bann zwingen.

I c h h e i s e r liefert, in der Entgegensetzung von „S ein" und „E r s c h e i -
n e n", einen Beitrag zur Psychologie des Selbstbewußtseins. Unter „Erscheinen"
versteht er ein inneres Wissen um unser Gegebensein für ein Du. Dies ist von
größter charakterologischer Bedeutung. Wie wir leiblich, sozial und geistig dem
Mitmenschen erscheinen, sichert die Kontinuität unseres Ich weit mehr als das
Selbsterlebnis unseres Seins.

B r u g s c h behandelt den personalistischen Standpunkt in der
medizinischenWissenschaft und Praxis. Er zeigt die — von ihm
zuerst gesehene — Bedeutung der personalistischen Krankheitserfassung für Dia-
gnose, Prognose und Therapie. Er knüpft dabei zum Teil an die Konstitutions-
forschung und Syzygiologie, zum Teil an die gegenwärtige Psychiatrie und ihre
psycho-physiologische Einstellung an.

Fick gibt einen Vortrag: Gesichtsausdruck und Muskelspiel.
Er zeigt darin, in wie erstaunlicher Weise die Physiognomik, die Kunst und die
Psychologie von der Anatomie her Bereicherungen erfahren können.

Schwangart schreibt über Persönliches bei Tieren und tie-
risches Niveau. Er lehrt den Mut zum Anthropomorphismus in der Tier-
psychologie; insbesondere knüpft er an die charakterologischen Darstellungen von
K a t z und Toll bei Hühnern an. Diesen trotz vielfacher Anfechtbarkeit überaus
anregenden Aufsatz ergänzt glücklich ein Beitrag R i n k s zur Geschichte der
Tier physiognomik.

Es folgt eine tiefgründige geschichtliche Betrachtung zur Physiognomik
überhaupt von P o 11 n o w. Die Arbeit enthält eine Fülle von Gedanken zur Aus-
druckslehre, zur Systematik und Methodologie der Ausdruckserfassung und Aus-
drucksdeutung. Sie ist getragen von außerordentlicher Mater-ialkenntnis.

Gesemann gibt eine Typologie des Volkscharakters der
Serbokroaten.

L. Marcuse handelt über die Struktur der Liebe. Er stellt, wie es
nicht anders sein kann, die platonische Liebe der christlichen gegenüber. Für Piaton
ist die Liebe ein Auftrieb zur Welt der Ideen. Die im Individuum entstehende
Liebe zerbricht das liebende Individuum, weil sie in eine Welt vorstößt, die außer-
halb des Individuums liegt; aber auch das geliebte Wesen ist nicht Endpunkt und
Sinn der Liebe, sondern nur ihr Durchgangspunkt und Mittel, damit der Liebende
aus sich herausgehe und sich zur Ideenwelt erhebe. So steht die Erotik zum Gei-
stigen in der Beziehung einer Kraft, die zu ihm hinführt. In der christlichen Liebe
ist der Eros nicht mehr Mittler zwischen den Menschen und einer geistigen Welt,
sondern das Geistige selber, Gott, ist die Liebe. Die Liebe hat einen absoluten
Wert erhalten, während sie in der Antike nur das Mittel war, welches der Zweck
verschlang. Christlich ist die Umwandlung des objektiven Geistes in einen dynami-
 
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