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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0200
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184 BESPRECHUNGEN.

Werkes nach der Tragweite seiner Ideenkomplexe abzuschätzen", halten „die Malerei
vorwiegend für geschaffen..., dem Gedanken zu dienen". Dieses Fahnden nach
dem, was die älteren Romantiker meist das „Allegorische" nennen — in der Be-
griffsbestimmung meiner schon genannten Schrift die „außerästhetische Wertung",
die im Gegensatz zu der soeben berührten richtigen „Toleranz"-Einsicht das Ver-
gleichen von Kunstwerken gerade ermöglicht, ja fordert —, erweist sich wie als
Hauptmerkmal, so auch als Hauptmangel jener Kunstkritik, verdarb es doch den
Romantikern die volle künstlerische Erfassung der Kunstwerke. Diese Beschrän-
kung des Blicks, die Über-Wertung des „Bedeutenden", der „Bedeutung" im Kunst-
werk, wird weiterhin sofort verhängnisvoll dadurch, daß die Romantiker zwangs-
läufig eine gestufte Wertfolge von Gemäldegattungen aufstellen müssen, da derart
„Allegorisches" sich freilich nicht in jedem Bildwerk gleichermaßen findet. So wird
als niedrigste Kunststufe das Stilleben hingestellt, dann folgen Blumen- und Frucht-
stücke,- Tierdarstellungen, Landschaft, Porträt, schließlich das symbolische oder
historische Gemälde. Ist dem Romantiker Menschendarstellung das Höchste, so muß
er allerdings die aufgezählten Gemäldegattungen bis hin zur Landschaft, von der
etwa hervorgehoben wird, „daß der Appell der reinen Landschaft an das Denk-
bewußtsein des Menschen nur gering ist", geringer einschätzen, kann sie gewisser-
maßen nur ansehen als Vorarbeiten, Entwürfe, Teilstudien für historische Gemälde.
Dieselbe eigenartige Grundmeinung der Romantiker zwingt aber weiter, wie wir
es in vorliegender Darstellung auch als Tatsache berichtet finden, zu „Vernach-
lässigung der Skulpturenbetrachtung" wie der Architekturwürdigung; denn aus
diesen Kunstwerken läßt sich in der Tat nicht viel „Allegorisches" in besagtem
Sinne heraus- oder in sie hineindeuten.

Damit kommen wir, der Darstellung der Verfasserin, die diese Zwangsläufig-
keit sachlogischen Zusammenhangs freilich nicht hervorhebt, folgend, zu einem
weiteren Moment, das, scheinbar ganz anderer Art, doch mit dem soeben Ent-
wickelten enge verknüpft ist. Fragt nämlich die Verfasserin nunmehr nach der
Romantiker „Verhältnis zum einzelnen Kunstwerk", so muß sie hier Einzelheiten
vermerken, die angesichts jenes Grundmangels „allegorischer" Deutung anders gar
nicht erwartet werden können. Weiß der Romantiker zwar auch „passive Hin-
nahme" des Kritikers Kunstwerken gegenüber beiläufig zu würdigen, so fordert er
doch ganz betont „Aktivität des Betrachters". Was heißt ihm das aber? Ausdeuten
der im Gemälde gefundenen „Idee", des „Allegorischen". In solchem Ausdeuten
fordert er „lebendigste Phantasie", öffnet damit aber Tür und Tor einem erhitzten
„geistvollen" Sich-selbst-Genießen des Kritikers, das von sachbestimmter künst-
lerischer Würdigung der Kunstwerke ganz und gar abführt. So sind manche Bild-
analysen der Romantiker wohl Dichtungen bei Gelegenheit des betreffenden Kunst-
werks, nicht aber Kritiken desselben. Zwar setzt sich die derart verstandene alle-
gorische Deutung der romantischen Kritiker selbst gewisse Schranken in einer sehr
feinfühligen, genauen, liebevollen „Anschauung des einzelnen". Doch auch hier
findet die Verfasserin Vorteil und Nachteil solcher Betrachtungsweise wiederum
seltsam gemischt. Über der Einzelwürdigung im Nebeneinander übersieht der ältere
Romantiker den künstlerischen Zusammenhang der Teile, ihr kunstorganisches Mit-
und Auseinander, so daß die Verfasserin sogar von „formaler Blindheit" sprechen
kann. Zwischen dem einzelgewürdigten Nebeneinander der Bildteile einerseits —
der Romantiker gibt anschauliche Bildanalysen, aber mit Rücksicht auf die „Idee",
die „allegorische" Bedeutung des Bildinhalts —, der phantasievoll sich deutenden
„Allegorie" des Bildinhalts andrerseits weiß der Romantiker gerade „die große Be-
wegung des Bildwerkes, die Lagerung der Bildkomplexe", kurz das organische
 
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