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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0277
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BESPRECHUNGEN.

261

Eine Beziehung zum Expressionismus ist aber doch in gewissen Grenzen vor-
handen, indem zeitweise der seelische Ausdruck in der ägyptischen Kunst sich in
einem solchen Maße steigert und zur Geltung bringt, daß man an jene moderne
Kunstrichtung gemahnt wird. Es gilt das von der „Amarnakunst": die Kunst zur
Zeit Amenophis IV. zeigt diese Eigenschaft in vollem Maße, und in den nächsten
Jahrhunderten klingt noch etwas davon nach.

Die zweite Abhandlung behandelt in vorsichtig kritischer Weise das anschau-
liche Weltbild der Ägypter, wie es wesentlich aus der Deutung der Zeichnungen zu
erschließen ist; für den Zweck der vorliegenden Zeitschrift bedarf sie keiner ein-
gehenderen Erörterung.

2. In dem zweiten Werk versucht Schäfer den Wertgehalt der ägyptischen Kunst
herauszuarbeiten. Der Verfasser betont nachdrücklich, nicht ohne polemische Seiten-
blicke (u. a. auch gegen Worringer), wie dazu außer einer von subjektiven Elemen-
ten möglichst freien ästhetischen Empfänglichkeit ein gründliches aus den Quellen
geschöpftes historisches Wissen unentbehrlich ist, weil nur ein solches ein wirk-
liches Einfühlen in diese Welt ermöglicht. Für die ägyptische Baukunst faßt er das
Ergebnis seiner Betrachtung S. 32 dahin zusammen: die Ägypter haben den Quader-
bau zuerst und selbständig, ja vielleicht einzig auf der Welt, erfunden, haben ihn
aus der ursprünglichen Abhängigkeit von Ziegel- und Holzbau befreit, technisch
wie formal auf eigene Füße gestellt und außer der Kuppel die Elemente aller Stein-
baukunst geschaffen, die sie unter immer neuen Ausdruckswandlungen im Dienst
von Königtum und Gottheit zu gewaltigen und eindrucksvollen Bauten gefügt haben.
Was sie entsprechend den Grenzen aller „vorgriechischen" Kunst nicht geleistet
haben, ist eine Durchbildung der Form im Sinne des Künstlerisch-Organischen, so
daß das einzelne nicht bloß statisch-mechanisch seiner Aufgabe genügt, sondern sie
auch in jeder Linie und Fläche zum Ausdruck bringt. — Auf dem Gebiet der bilden-
den Kunst haben die Ägypter das „vorgriechische" Schaffen zu einer klassischen
Vollendung gebracht, haben insbesondere in der Darstellung der Lebewesen zum
erstenmal Bilder geschaffen, welche die nach bewußten Proportionen geordnete
Naturform (Proportionsschlüssel!) mit stilsicherer Tektonik verbinden. Die orga-
nische Durchbildung bleibt auch hier (ebenso wie die Perspektive) den Griechen
vorbehalten. Kulturphysiognomisch betrachtet ist die Kunst dasjenige Gebiet ge-
wesen, auf dem die Ägypter ihre geistigen Anlagen, ihren Sinn für Klarheit und
folgerechte Formenbildung zur höchsten Entfaltung gebracht haben.

Berlin. Alfred Vierkandt.

Alexander Cingria, Der Verfall der kirchlichen Kunst. Über-
setzt von Linus Birchler. Mit einem Vorwort von Paul Claudel und einer Ein-
leitung des Übersetzers. V, 77 S. Augsburg, Benno Filser Verlag G. m. b. H.,
1927.

Diese aus Vorträgen vor der Genfer „Union des Travailleuses Catholiques"
1916/17 hervorgegangene, erstmals 1917 in Lausanne im Verlag der „Cahiers
Vaudois" erschienene Broschüre ist eine Kampfschrift gegen den Verfall und ein
„Kreuzzug für die Wiederherstellung der christlichen Kunst". Zu ihrem Verständ-
nis muß man vorausschicken, daß ihr Verf., wie wir der Einleitung ihres Über-
setzers entnehmen, Bürger und religiöser Maler in Genf und, wie wir seinen eige-
nen Ausführungen entnehmen, gläubigster Katholik mit weltoffensten Sinnen ist.
Er ist, heißt es in der Einleitung, der anerkannte Führer der religiösen Kunst-
bestrebungen in der Westschweiz. Mit Freunden gründete er 1916 die Genfer
„Groupe de St. Luc et St. Maurice", eine inzwischen wieder eingegangene Künst-
lervereinigung. Er ist einer der Gründer der im Anschluß an die große Ausstellung
 
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