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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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Glanz, Robert: Der poetische Wertmaßstab Gustave Flauberts, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0290
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ROBERT GLANZ.

digung, die jede wohllautende und klare Wortgebung in uns auslöst, die
eigentlichen dichtkünstlerischen Werturteile gesehen.

Das letzte Ziel poetischer Arbeit besteht für den reifen Flaubert in
der Erfüllung einer Forderung, die mit den beiden soeben besprochenen
des Wohllauts und der Klarheit der Wortgebung nichts zu schaffen hat.
Zur Betrachtung dieser Forderung wollen wir uns jetzt wenden.

II.

„Sichtbarmachung" des Gegenstandes fordert der
reife Flaubert von jeder dichterischen Gestaltung.

So urteilt er über Leconte de Lisle nach der Lektüre der „Poemes An-
tiques": „.. . il lui manque la faculte de faire voir" (Co. III, 158);
so urteilt er ferner über Feydeaus „Le Mari de la Danseuse": „Le chapitre
XIII est excellent en entier. La petite bataille se voit." (O. X, 373.)
„On voit la pauvre Barberine ä la toucher." (O. X, 375.) Und weiter:
über Feydeaus „Daniel": „Dans la description des chasseurs et du diner,
rien ä reprendre: 9a se voit" (O. X, 217); über die „Manette Salo-
mon" der Brüder Goncourt: „Voici, en fermant les paupieres, ce que je
r e v 0 i s : 1 ° et avant tout le caractere de Garnotelle" (O. X, 488); über
George Sands „Cadio": „... c a s e v 0 i t" (O. X, 511); über „Les Fre-
res Zemgano" von E. de Goncourt: „On voit vos personnage s"
(O. XI, 367) ; über Leon Cladels „Titi Foyssac": „Votre personnage prin-
cipale creve les yeux ..." (O. XI, 372); über ein Werk Renans:
„On ne voit pas les personnages ..." (O. XII, 443); über Guy de
Maupassants „Boule de Suif": „Mais il me tarde de vous dire que je con-
sidere ,Boule de Suif comme un chef d'oeuvre. Oui! jeune homme! Ni
plus, ni moins, cela est d'un maitre. Les paysages et les per-
sonnages se voient..."(0. XI, 398). Seine Anerkennung der
künstlerischen Leistungsfähigkeit L. Colets kleidet er in die Worte: „Tu
asentoi...une maniere deliee de voi r." (Co. II, 380.) In
einem Brief vom Herbst des Jahres 1857 motiviert er den Umstand, daß
er vor der Vollendung des ersten Kapitels der „Salammbo" bereits am zwei-
ten arbeitet, mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der „Sichtbar-
machung": „... il faut bien commencer par lä pour faire voir." (Co.
IV, 227.)

Aus der Tatsache, daß Flaubert als Ziel seines Schaffens die „Sicht-
barmachung" der Gegenstände bezeichnet, wird es auch verständlich,
wenn er immer wieder erklärt, die Gegenstände, nach deren Gestaltung
er trachtet, selbst „sehen" zu wollen: „Depuis six semaines", schreibt
er am 5. August 1857, „je recule comme un lache devant Carthage (das
ist „Salammbo"). J'accumule notes sur notes, livres sur livres, car je ne
me sens pas en train. Je ne vois pas nette ment mon objec-
 
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