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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0339
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BESPRECHUNGEN.

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stem Maße gerecht. Zugleich aber liegt hierin eine Beschränkung. „Nicht alle dem
Anatomen bedeutungsvollen Teile des Körpers sind eben auch dem Künstler wich-
tig", wie K. in seinem Vorwort sagt. Dieser Leitsatz ist in dem ganzen Buche
glücklich durchgeführt. Mit sicherem Empfinden wird an dem Punkte halt ge-
macht, wo der Weg über das gesteckte Ziel hinausführen würde, und der Künst-
ler weiß ihm dafür Dank. In jeden Abschnitt sind Abbildungen, teils in Strich-
ätzung, teils in Autotypie oder scharfem Holzschnitt, gelegentlich mit Unter-
stützung durch Farbe, in großer Anzahl eingestreut und in engste Beziehung zur
textlichen Erläuterung gebracht, des weiteren schematische Tabellen zur Klärung
der Proportionslehre und Bewegungsmechanik. Die Neigung der Künstlerschaft,
eben aus dem Bedürfnis nach Anschaulichkeit heraus, anatomische Atlanten aus-
führlichen Beschreibungen zum Studium vorzuziehen, ist begreiflich, doch darf erst
eine in dieser Art wirkende organische Verbundenheit beider Teile als eine ideale
Ergänzung der nach der lebendigen Erscheinung gewonnenen Erfahrungen gelten.
Gelegentliche Hinweise auf die gründlichen und grundlegenden Studien alter Mei-
ster (borghesischer Fechter, Laokoon, Michelangelo, Schadow etc.) sind anregend,
aber nicht nur die äußeren Formen, ihre Zusammenhänge und Bewegungen werden
dargetan, sondern gelegentlich auch die Wirkungen, die sie auf den psychischen
Ausdruck und damit auf das ästhetische Verhalten des Kunstwerkes ausüben. Man
lese nur, um ein Beispiel zu geben, in dem Kapitel über die Mechanik der Atmung
die Ausführungen über den Laokoon, dessen leicht geöffneter Mund das Ende
des Dramas ahnen läßt, das Nachlassen der Kraftanstrengung durch das Aus-
atmen des zum letzten Widerstande mit Luft hochgefüllten Brustkorbes. Derlei
Dinge dürften dem bewußten Schaffen ebenso wichtig sein wie der rezeptiven Be-
trachtung. Auch die Anfänge zu einer charakterologisch wertenden Deutung von
Mimik und Gebärdensprache sind in treffender Weise gegeben, Anfänge, die heute
mit Hilfe kinematographischer Aufnahmen verheißungsvolle Erweiterung erfahren
und noch vielfach über die Studien Darwins, auf die bei K. zurückgegriffen wird,
hinausgehen. Dennoch bietet das Buch auch hierin das für den Künstler Wesent-
liche. Wer es also nicht vorzieht, vor dem Mechanismus des menschlichen Körpers
als einem steten Geheimnis zu stehen und nur ratend oder ratlos seine Formen ab-
zutasten, möge in diesem Werke eine Quelle zu eingehender Belehrung im Ein-
zelnen wie im Großen finden. Auch dann noch bleibt ja das Geheimnis als Letztes
über Allem, das erst der Künstler erfasse und deute. —

Wenn das K.sche Werk als außerordentlich in jeder Beziehung hervorgehoben
wurde, kann dies bei Brack „Menschenkunde für Künstler" leider nicht in gleichem
Maße geschehen. Dem Anschauungsbedürfnis wird hier zu wenig Rechnung ge-
tragen. Die geringe Anzahl der oft Briefmarkengröße kaum überschreitenden Bil-
der, die überdies zum Teil noch unzweckmäßig ausgesucht und zusammengestellt
sind, bietet für die ausführlichen textlichen Erläuterungen nur eine schwache Er-
gänzung. Bei so konkreten Gegenständlichkeiten wie Knochenbau und Muskulatur
kann sich der Lernende durch einige prägnante Abbildungen besser unterrichten
als durch noch so ausführliche Beschreibungen. Da diese aus Vorträgen hervor-
gegangen sind, bei denen durch Demonstrationen und unter Zuhilfenahme eines
anderen Atlas, wie gesagt wird, der Anschauung Rechnung getragen wurde, emp-
findet man natürlich das Fehlen dieses ganzen Teiles als Mangel. Die reine Schil-
derung wird um so ausführlicher, als der Verfasser durch sein reiches Wissen
verführt wird, sich weiter in die Anatomie auch der inneren Organe zu begeben,
als es für den künstlerischen Standpunkt wichtig ist, so in den Abschnitten über die
Brust- und Bauchorgane. Bei alledem darf nicht verkannt werden, daß der Zweck,
künstlerische Hilfsmittel zu geben, dem auch die Deckblätter in geeigneter Weise
 
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