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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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Kuznitzky, Gertrud: Die ästhetische Gefühlswahrheit, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0017
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DIE ÄSTHETISCHE GEFÜHLSWAHRHEIT.

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Lichtquelle. Aber daß wir im Fühlen immer an vergleichbare Wahrneh-
mungstatsachen denken, das ist doch nicht nur ein leeres hilfloses Spiel
der Vorstellung. Es ist eine Sinnbestimmtheit des Gefühls, die ihm ein-
heitlich zukommt. Alle Gefühle wissen sich als „quasi" Tatsächliches,
als gleichsam sichtbare oder spürbare Wirklichkeit. Die Gleichnissprache
des Gefühls spricht eine Erlebniswirklichkeit aus; oder sie spricht das in
ihm Erlebte als eine eigene, sich in jedem Gefühl in ihrer Eigenart wie-
derherstellende Wirklichkeit aus. Das Gefühlte ist niemals eine Erfah-
rungstatsache, aber Gefühle als Gegenwärtiges begleiten das Erfahrene
als Gegenwärtiges so, daß eine eigene Wirklichkeit neben der erfahrenen
sich in ihnen herstellt. Das Gefühlte ist eine Wirklichkeit in der Wirk-
lichkeit, eine Welt in der Welt.

Die Besonderheit des Fühlens innerhalb der „Erlebnisse" im weite-
ren psychologischen Sinne des Wortes liegt darin, daß das Gefühl sich
nicht nur als eine Weise unseres Erlebnishabens, unseres psychischen
Seins bestimmt, sondern daß es in seiner Erlebnisgestaltung und Gegen-
wartsgestaltung Erlebnis und Gegenwart unmittelbar zum Inhalt hat.
Die Bildersprache des Gefühls ist der Ausdruck dieser Inhaltlichkeit, sie
ist damit der Ausdruck dessen, daß das Gefühlte mit dem Tatsächlichen
der Gegenwart um die inhaltliche Bestimmtheit des jeweils Gegenwärti-
gen ringt. „Jetzt" und hier ist diese oder jene Gruppe von Erscheinun-
gen und Vorgängen, in die ich hineintrete, etwa dieses Zimmer hier oder
dieser Vorfall, von dem ich höre; jetzt ist aber auch die eigentümliche
Stimmung dieses Zimmers oder die Tragik jenes Vorfalls. Die Zusam-
menhänge der Erfahrungswelt werden durchzogen und durchbrochen von
Gefühlstatsachen, indem sie Tatsachen unserer Gegenwart werden.

Dieses Verhältnis läßt uns nach einem Zusammenhang, nach einheit-
lichen inneren Ordnungen der Gefühlstatsachen selbst fragen. Das Ge-
fühl ist gleichsam Gestaltung, gleichsam zeitliches Geschehen. Gestaltetes
und Zeitliches, das nicht bloß „gleichsam" ist, besitzt seine Gestaltung
und Dauer als Glied eines Ordnungszusammenhanges von Tatsachen.
Es steht in Ordnungszusammenhängen des Naturgeschehens und des
geistigen Lebens. Was hat es zu sagen, daß diese Zusammenhänge sich
mit Gefühltem durchziehen — so durchziehen, daß das Gefühlte zugleich
den Gestaltaufbau der erscheinenden Wirklichkeit nachahmt? Jedes Ge-
fühl ordnet sich als Gegenwärtiges gegenwärtiger Erfahrungswirklich-
keit zu. Gegenwärtige Erfahrungswirklichkeit ist aber immer nur ein
Stück objektiv geordneter Erfahrungswirklichkeit. Kann das Gefühl ein
willkürlich aufsteigendes Bild in dieser Erfahrungswirklichkeit sein?
Oder entspricht dem Gefühlten nicht ein Zusammenhang seiner Gehalte,
der gleichfalls das einzelne Gefühlte als Glied seiner Ordnung umfaßt?
 
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